Beschlussvorschlag für 28.05. Anhörung im Bundestag.

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Frank62
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Beschlussvorschlag für 28.05. Anhörung im Bundestag.

#1

Beitrag von Frank62 » Mittwoch 30. April 2008, 13:08

Hallo Frank,

anbei der Beschlussvorschlag für 28.05. Anhörung im Bundestag.
Ist vielleicht etwas für das Forum?
Claudia

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/087/1608748.pdf


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8748
16. Wahlperiode 09. 04. 2008
Antrag
der Abgeordneten Markus Kurth, Birgitt Bender, Britta Haßelmann, Ekin Deligöz,
Kai Gehring, Priska Hinz (Herborn) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Für einen umfassenden Ansatz beim Umgang mit den Folgen
des Contergan-Medizinskandals
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Contergan-Medizinskandal war die folgenschwerste Arzneimittelkatastro-
phe des 20. Jahrhunderts. Mit der Einführung des Beruhigungsmittels �Thalido-
mid (Contergan)³ im Jahr 1957 kamen zwischen 1958 und 1962 contergange-
schädigte Kinder zur Welt. Die geschätzte Zahl der betroffenen Kinder belief
sich auf über eine halbe Million. Heute leben in Europa noch schätzungsweise
4 000 bis 5 000 Menschen mit diagnostizierter Schädigung, rund 2 700 davon in
Deutschland.
Die Conterganrente ist keine typische Leistung für Menschen mit Behinderun-
gen nach dem Behindertenrecht, sondern eine Schadenersatzleistung. Das Un-
ternehmen Grünenthal zahlte im Jahr 1971 im Rahmen eines Vergleichs eine
Entschädigungssumme in Höhe von 110 Mio. D-Mark in den deutschen Conter-
ganfonds ein. Mit diesem Vergleich wurde die Haftungsverpflichtung der Firma
Grünenthal damals abschließend geklärt. Seit dem Inkrafttreten des Stiftungs-
gesetzes am 31. Oktober 1972 obliegt die finanzielle Gesamtverantwortung der
Rentenzahlung der Bundesrepublik Deutschland. Das Unternehmen Grünenthal
konnte sich mit dem erzielten Vergleich glücklich schätzen.
Entschädigungszahlungen liegen heute in ganz anderen Dimensionen. Hinzu
kommt, dass man damals nur sehr wenige Erfahrungen mit den körperlichen
Funktionseinschränkungen der Contergangeschädigten hatte. Es war nicht
annähernd abzuschätzen, wie sich die Gesundheit der Betroffenen in ihrem wei-
teren Leben entwickelt. Die monatliche Rente von maximal 545 Euro monatlich
aus der Conterganstiftung wird den heutigen Belastungen der Betroffenen nicht
mehr gerecht. Die hohe Selbständigkeit, die die Conterganopfer glücklicher-
weise erlangten, bezahlten sie oft mit einer starken Überlastung der Gelenke, der
Muskulatur und des Skeletts. Aufgrund der gesundheitlichen Folgeschäden kön-
nen heute viele betroffene Frauen und Männer nicht mehr ihren Berufen nach-
gehen. Zusätzlich zu den Renten aus dem Conterganfonds tragen bislang die
verschiedenen Sozialversicherungsträger wie Kranken-, Renten- oder Pflege-
versicherung bzw. die Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozial-
gesetzbuch die Kosten der Folgeschäden.
Aus den genannten Umständen ergibt sich aus Sicht des Deutschen Bundestages
für die Firma Grünenthal GmbH die moralische Verantwortung, weitere finan-
zielle Anstrengungen zu unternehmen, sich an den Kosten der entstandenen Fol-
geschädigungen der Betroffenen zu beteiligen. Doch auch die Bundesrepublik
Drucksache 16/8748 ­ 2 ­ Deutscher Bundestag ­ 16. Wahlperiode
Deutschland steht auf Grund des Stiftungsgesetzes (StiftungsG), das heute
Conterganstiftungsgesetz heißt, in der Pflicht, die aus heutiger Sicht völlig
unzureichende Schadenersatzleistung entsprechend der gegenwärtig feststell-
baren Schädigungsfolgen anzupassen.
Der Deutsche Bundestag bewertet die vorgesehene Rentenanpassung der Koa-
litionsfraktionen der CDU/CSU und SPD zwar durchaus positiv. Die Verdoppe-
lung der Rentenbezüge ist jedoch willkürlich festgesetzt, ohne die angemessenen
Hilfebedarfe der Betroffenen zu ermitteln. Das Vorhaben der Koalitionsfraktio-
nen kann daher nur ein erster Schritt im Rahmen einer ganzheitlichen Strategie
für den Umgang mit den Folgen des Contergan-Medizinskandals sein.
Thalidomid ist seit 1976 für die Behandlung der Leprareaktion sowie seit 2001
für die Behandlung des Multiplen Myeloms, einer Krebserkrankung des Kno-
chenmarks, in Deutschland zugelassen. Durch die Wiederzulassung sind trotz
strenger Auflagen neu auftretende Schädigungen durch Thalidomid nicht mehr
ausgeschlossen.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten den angemessenen Hilfebedarf der
Geschädigten und den sich daraus ergebenden finanziellen Schadensaus-
gleich zu errechnen,
2. dem Bundestag einen Vorschlag vorzulegen, wie das Conterganstiftungs-
gesetz auch für solche Personen geöffnet werden kann, die eine Schädigung
aufgrund der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate erlitten, die jedoch
nicht äußerlich sichtbar ist,
3. sich in den gemeinsamen Gesprächen mit der Firma Grünenthal GmbH
und dem Bundesverband Contergangeschädigter e. V. für eine wesentliche
finanzielle Beteiligung der Firma Grünenthal GmbH an der vorgesehenen
Rentenanpassung einzusetzen,
4. durch ihre Mitarbeit in der Weltgesundheitsorganisation dafür Sorge zu tra-
gen, dass die Sicherheitsvorkehrungen beim Umgang mit Thalidomid und
anderen Wirkstoffen mit hohem Nebenwirkungspotential auch international
eingehalten werden,
5. sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, ein Europäisches Netzwerk
für Dysmelie und andere seltene Krankheiten (European Dysmelia Reference
& Information Centre) aufzubauen.
Berlin, den 9. April 2008
Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion
Deutscher Bundestag ­ 16. Wahlperiode ­ 3 ­ Drucksache 16/8748
Begründung
Die Forderungen an die Bundesregierung werden wie folgt begründet:
Zu Nummer 1
Die Verdoppelung der Rente durch die Bundesregierung basiert nicht auf
wissenschaftlichen Ergebnissen. Contergangeschädigte haben hohe finanzielle
Aufwendungen, die unter anderem auf barrierefreie Wohnfeldveränderung, Kfz-
Anpassung, Haushaltshilfe, Kommunikationshilfen und Zuzahlungen auf Hilfs-
und Heilmittel basieren. Nur eine wissenschaftliche Untersuchung der Folge-
schäden, der Lebenssituation und der gesundheitlichen Beeinträchtigung kann
die finanziellen Bedürfnisse der Betroffenen berechnen. Bislang ist es so, dass
vor allem die Versichertengemeinschaft über Pflege-, Kranken- oder Rentenver-
sicherungsbeiträge bzw. Länder und Kommunen über die Eingliederungshilfe
für die Kosten der durch Thalidomid erfolgten Schädigungen aufkommen. Das
ist nicht sachgerecht. Eine bedarfsgerechte Entschädigungszahlung durch eine
wissenschaftlich berechnete Conterganrente entlastet die Sozialversicherungs-
zweige und vermindert bürokratischen Aufwand. Die Bundesrepublik Deutsch-
land hat mit der Übernahme der Verantwortung für die Conterganstiftung fak-
tisch die Rolle des Gewährträgers für die Schadenersatzleistung übernommen
und dies durch Einzahlungen in die Stiftung auch dokumentiert.
Zu Nummer 2
Am 18. Oktober 2005 ist das Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte
Menschen (Conterganstiftungsgesetz ­ ContStifG) im Bundesgesetzblatt ver-
kündet worden und ist gemäß § 25 ContStifG am 19. Oktober 2005 in Kraft
getreten. Dabei wurde die Nummer 2 des § 13 Abs. 1 StiftungsG, wonach ein
Anspruch nur dann berechtigt ist, wenn Leistungen bis zum 31. Dezember 1983
bei der Stiftung geltend gemacht wurden, ersatzlos gestrichen. Wegen des bis
heute verstrichenen langen Zeitraumes ist der Gesetzgeber davon ausgegangen,
dass keine Eltern mehr einen Antrag stellen werden. Wie die International Con-
tergan Thalidomide Ailliance berichtet, werden heute dennoch Fälle bekannt,
die einen Anspruch auf Leistungen nach dem ContStifG hätten.
Grund für die späte Entdeckung des Anspruches ist ein grundlegendes Diagno-
seproblem: Während Dysmelien gemeinhin Fehlbildungen an den Extremitäten
beschreibt, hat das Medikament Thalidomid auch Schädigungen hervorgerufen,
die äußerlich nicht sichtbar sind. Hierzu gehören beispielsweise Fehlbildungen
der inneren Organe.
Zu Nummer 3
Die Firma Grünenthal GmbH ist heute ein florierendes Unternehmen. Zwar hat
sich die Firma Grünenthal GmbH bereit erklärt, einen finanziellen Beitrag zur
Verbesserung der Lebenssituation der Conterganbetroffenen zu leisten. Über
Größenordnungen schweigt sie sich jedoch aus.
Zu Nummer 4
Thalidomid ist in Deutschland seit 1976 für die Behandlung der Leprareaktion
zugelassen. Der Antrag auf die sogenannte Nachzulassung wurde von der Firma
Chemie Grünenthal GmbH gestellt. Thalidomid zur Behandlung von Patienten
ist unter strengen Auflagen erhältlich. Eine Wiedereinführung in ganz Europa
erlebte Thalidomid am 19. Dezember 2001, als es von der europäischen Arznei-
mittelbehörde EMEA (Kennzeichnung EU/3/01/068/) für die Behandlung des
Multiplen Myeloms, einer Krebserkrankung des Knochenmarks, zugelassen
wurde. Für die Herstellung und den Verkauf ist das englische Unternehmen
Pharmion zuständig.
Drucksache 16/8748 ­ 4 ­ Deutscher Bundestag ­ 16. Wahlperiode
Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83­91, 12103 Berlin
Vertrieb:BundesanzeigerVerlagsgesellschaftmbH,AmsterdamerStr.192,50735Köln,Telefon(0221)97668340,Telefax(0221)97668344
ISSN 0722-8333
Wenn Thalidomid während der Schwangerschaft eingenommen wird, kann es
schwere Geburtsschäden oder den Tod eines ungeborenen Kindes verursachen.
Thalidomid darf niemals von Frauen eingenommen werden, die schwanger sind
oder die während der Einnahme des Medikamentes schwanger werden könnten.
Sogar eine einzige Dosis, eine Kapsel (50 mg, 100 mg und 200 mg), eingenom-
men von einer schwangeren Frau, kann schwere Geburtsschäden bewirken. In
Brasilien wird das Medikament in einer Medikamentflasche angeboten, auf der
die Abbildung einer schwangeren Frau mit einem großen Kreuz durchgestrichen
ist. In Brasilien wurde dieses Zeichen von vielen Frauen als Antibabypille miss-
verstanden, so dass es in der Folge zu einer neuen Generation von Kindern mit
Fehlbildungen kam.
Zu Nummer 5
Thalidomid gehört zur Familie der Neurotoxine. Neurotoxine sind Gifte, die
speziell auf Nervenzellen bzw. Nervengewebe einwirken. Derzeit gibt es keine
ausreichenden Erkenntnisse über die Folgen von chemischen Neurotoxinen so-
wie mögliche Behandlungsverfahren.
Das European Dysmelia Reference & Information Centre (E-DRIC) hätte zur
Aufgabe, diese Erkenntnislücke zu schließen. Wissenschaftliche Untersuchun-
gen über die Folgen von chemischen Neurotoxinen wie Thalidomid könnten
Behandlungsverfahren ergründen und somit auch für die vielen Nichtspezialis-
tinnen und -spezialisten zugänglich machen. Das E-DRIC könnte allen Patien-
tengruppen Informationsdienste anbieten, weitere Untersuchungen über die
Folgen von Dysmelien anstellen sowie ein Netzwerk von Spezialistinnen und
Spezialisten auf diesem Gebiet entwickeln, das im Sinne eines Best Practice die
besten Unterstützungs-, Pflege- und Organisationsformen für Betroffene an-
zeigt.
LG
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#2

Beitrag von Bo » Donnerstag 1. Mai 2008, 03:09

Hallo Frank,

ist das ein von Claudia und Co formulierter Beschlussvorschlag?

Ich finde (unabhängig vonwem er ist), dass da noch einiges fehlt, oder irre ich?

Bo :wink:

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#3

Beitrag von sgmeyer » Donnerstag 1. Mai 2008, 09:48

Hallo,

mein erster Eindruck ist, dass zwar vom Bürokratieabbau die Rede ist, aber die "wissenschaftliche Berechnung" des Finanzbedarfs eine neue Bürokratie aufbaut. Die Mühlen des Wissenschaftsbetriebs mahlen sehr sehr zäh und langsam. Erstmal gibts eine Sachverständigenkommission, die dem zuständigen Ausschuss einen Bericht vorlegt, der dann beschließen möge, usw. ... Vielen fehlt dazu die Zeit, denke ich.
Zum zweiten vermisse ich die klare Ansage an Grünenthal zusätzlich zu den bereits beschlossenen Maßnahmen tätig zu werden. So hört sich das für mich nur nach "Beteiligung" an.
Der Grundtenor ist m . E. aber richtig!

Viele Grüße

Stephan

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#4

Beitrag von Frank62 » Donnerstag 1. Mai 2008, 11:50

Bo hat geschrieben:Hallo Frank,

ist das ein von Claudia und Co formulierter Beschlussvorschlag?

Ich finde (unabhängig vonwem er ist), dass da noch einiges fehlt, oder irre ich?

Bo :wink:
Ich glaube nicht das die Beiden im Bundestag sitzen :-D

Es steht doch eindeutig im ersten Satz..wer den Antrag gestellt hat.
Was fehlt denn deiner Meinung da noch ? Formuliere es und schicke es an einen der Antragsteller, oder an Claudia und Udo.
LG
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#5

Beitrag von Maren » Donnerstag 1. Mai 2008, 12:58

Hallo sgmeyer!

Genau - nicht noch mehr Bürokratie und klare Forderungen an den Schädiger!

@Bo: Es ist ein Papier der Grünen - Claudia und Co. können schlecht einen Antrag in den Bundestag einbringen, oder? :wink:

Maigrüße
Maren :cool:
Tschüssi 😎 Maren



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Der Weg ist das Ziel 🚵‍♂️

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#6

Beitrag von Bo » Samstag 3. Mai 2008, 03:26

@ Maren,

:oops: ...ich habe vor allem "Beschlussvorschlag" gelesen...

Bo

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#7

Beitrag von Cafe_Del_Mare » Sonntag 4. Mai 2008, 06:01

@Frank

Woher hast du das Datum 28.05

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