Conterganrente Kaufkraftverlust d. Koppelung an Altersrente

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Fellwuschel
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Conterganrente Kaufkraftverlust d. Koppelung an Altersrente

#1

Beitrag von Fellwuschel » Sonntag 7. Juni 2009, 20:44

Contergan-Rentenanpassung an die gesetzlichen Altersrenten führt zu weitreichenden realen Kaufkraftverlusten in der Zukunft


Die Bemessung des Verbraucherpreisindexes (1) bemißt sich nach einem sog. Warenkorb dessen Inhalt die Bundesregierung selber zusammenstellt.(2) Es umfasst z.B. nicht in vollem Umfange höherwertige Waren und Konsumgüter und behindertenspezifische Hilfsmittel und Medikamente. Diese sind nicht ausreichend für den spezifischen Bedarf Contergangeschädigter und in diesem Korb nicht ausreichend enthalten (3). Meine Erfahrung und die Erfahrung der meisten Konsumenten der letzten zehn Jahre zeigt jedoch das die reale Inflation weit über dem offiziellen Verbraucherpreisindex der Bundesregierung lag.
Allgemeine Erfahrung vieler Anwesenden ist, das 2008 alles in etwa das in Euro kostet was es damals d.h. 1998 in DM gekostet hatte. Der offizielle Verbraucherpreisindex trägt dieser negativen Erfahrung jedoch nicht Rechnung.

So ergibt der Verbraucherpreisindex für den Erhebungszeitraum Januar 1998 bis Januar. 2008 folgende Zahlen:

Jan 1998 = 90,8 (vgl. Verbraucherpreisindex insgesamt lt. Tabelle).
Jan 2008 = 105,3 (vgl. Verbraucherpreisindex insgesamt lt. Tabelle)

105,3 x 100
----------------- - 100 = 15,96
90,8

vgl. (1): Verbraucherpreisindex des statistischen Bundesamtes

Dies ergäbe für einen Zehnjahreszeitraum 1998 - 2008 gerade mal eine Preissteigerung von insgesamt 15,96 % ! (1)
Und nicht wie die von uns allen erlebte Preissteigerung von ca. 100 %. Daran wird deutlich wie realitätsfremd dieser Verbraucherpreisindex ist. Legt man jedoch das Verhältnis von Geldmenge M3 zum Wachstum des Bruttoinlandproduktes zugrunde, so kommt man zu realistischen Zahlen.

Es gibt in der Volkswirtschaft eine Regel die besagt:

Reale Inflation = (jährliche Zunahme der Geldmenge M 3 in %) - (jährliches
Wachstum des Bruttoinlandproduktes in %)

Legt man diese Formel nur für die drei Jahre 2003, 2004 und 2005 z.B. zugrunde, so ergibt sich für die reale Inflation in diesen Jahren folgendes Bild

Inflation, Geldmenge M3 und Bruttoinlandsprodukt in der Eurozone

2003 2004 2005
Wachstum Geldmenge M3 6,4 % 6,3 % 8,2 %
Wachstum des BIP 0,7 % 2,0 % 1,3 %
Inflation 5,7 % 4,3 % 6,9 %

Es ergeben sich nach der offiziellen Methode des Konsumentenpreisindexes in der Eurozone (Quelle: http://epp.eurostat.cec.eu.int) folgende Zahlen:

Inflation in der Eurozone

2003 2004 2005
Inflation 2,0 % 1,9 % 1,7 %

(4) Quelle: Finanzwissen.de (siehe Quellenverzeichnis)

So ergibt sich also z.B. für das Jahr 2005 folgende Berechnung der tatsächlichen Inflation vgl. (4):

Jährliches Wachstum der Geldmenge M 3 = ca. 8,2 %
Jährliches Wachstum des Bruttoinlandproduktes = ca. 1,3 %

Tatsächliche Inflation = 8,2 % - 1,3 % = 6,9 %

Mithin war die tatsächliche Inflation mit 6,9 % im Jahr 2005 erheblich höher als die von der Bundesregierung herausgegebenen offiziellen Inflationszahlen, die nur eine Inflationsrate von 1,7 % auswies. Dieses Mißverhältnis lässt sich auch für die zwei vorangegangenen Vergleichsjahre (s.o.) nachweisen. (2003: 5,7 % zu 2,3 %, 2004: 4,3 % zu 1,9 %.(4)

Im 2. Contergan-Änderungsgesetz jedoch beschloss man die Anhebung der "Renten" an die prozentuale Anhebung der gesetzlichen Altersrenten zu koppeln. Diese sind in den letzten zehn Jahren jedoch deutlich weniger gestiegen wie der offizielle Preisindex der Bundesregierung. Aufgrund der demographischen Entwicklung (mehr Leistungsempfänger infolge höheren Lebensalters und weniger Einzahler durch weniger Nachgeborene) ist mit einer weiteren Verringerung der prozentualen Steigerungen bei den gesetzlichen Renten zu rechnen.
Die Differenz zwischen der Inflation die das statistische Bundesamt auswies (1) und den jährlichen Steigerungsraten der gesetzlichen Rente werden also das künftige Maß des realen Kaufkraftverlustes unserer Conterganrenten. Dies führt zwangsläufig jedes neue Jahr zu weiteren Kaufkraftverlusten. So sank die reale Kaufkraft der Ruheständler von 2004- 2008 laut Berechnung des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn um insgesamt 8,5 %. (vgl. AFP-Meldung vom 19.1.2009) (7). Daher ist auf jeden Fall abzulehnen, die Conterganrenten an die gesetzlichen Altersrenten anzupassen so wie es jetzt beschlossen wurde. Wenn man schon nicht die wahre Inflation die durch den Geldmengenzuwachs M3 in der EU bewirkt wird, zugrunde legen möchte, so sollte zumindest der von der Bundesregierung erstellte Warenkorb (2) der zur Berechnung des allgemeinen Verbraucherpreisindexes (1) verwendet wird und nicht jedoch die geringen prozentualen Zuwachsraten der gesetzlichen Altersrenten, die nur bei 0,5 bis 2 % jährlich lagen (5), herangezogen werden.
Vor der Verdoppelung unserer Conterganrenten im April 2008 wollte die Bundesregierung in der Jahreswende 2007/2008 unsere Renten nach 5 Jahren gerade mal um ca. 5 % in Anlehnung an die gesetzlichen Renten erhöhen. Eine Farce gemessen an den tatsächlichen Preissteigerungsraten. Die Bundesregierung orientierte sich da an der preisgünstigsten Lösung. Erfreulicherweise kam es dann u.a.auch hervorgerufen durch den öffentlichwirksamen Film "Eine Einzige Tablette" der bundesweit ausgestrahlt wurde, im April 2008 zu einer Verdoppelung. Diese ist aber nur ein Wiederherstellen des Kaufkraftniveaus von 1998. Legt man die Bemessung der realen Inflation durch die Berechnung der Geldmenge und des Bruttoinlandproduktes zugrunde so hat sich die Kaufkraft unserer Rente real alleine 3 Jahren um 16,9 % verringert (4) und auf zehn Jahre extrapoliert wäre das eine ca. 60 % - ige Aufzehrung der realen Kaufkraft unserer Conterganrenten.. Auch nach Auffassung von Herrn Adolf Bauer, dem Präsidenten des Sozialverbandes Deutschland führt die allgemeine demographische Entwicklung nur zu "sehr geringen Rentenanpassungen oder Nullrunden" (7)

Fazit:

1. Eine Anlehnung an den Verbraucherpreisindex (1) der Bundesrepublik ist der der Altersrenten (5) vorzuziehen.
2. Selbst eine Anpassung der Conterganrenten an den Verbraucherpreisindex (1) führt zu einem realen Kaufkraftverlust (4).
3. Eine Überprüfung der Rentenhöhe an die tatsächlichen Bedürfnisse der Contergangeschädigten, die ja vermehrt
auch unter Folgeschäden leiden (welche die Kassen zunehment nicht übernehmen, ist alle 2 Jahre regelmäßig
durchzuführen und dies ist gesetzlich vorzuschreiben..
4. Die jetzige Höchstrente ist deutlich zu gering, um den tatsächlichen Bedarf zu decken. Im europäischen Ausland
werden das Zwei- bis Dreifache an Entschädigung gezahlt. So z.B. in Großbritannien bis zu 3500 € monatlich
vgl. Thalidomide Trust UK (9)
5. Die Conterganrenten bilden keine Kompensation für lebenslange Verdienstbehinderung und auch kein hinlängliches
Schmerzensgeld das eigentlich der Verursacher zahlen müßte. (vgl. internationale Entschädigungssummen bei Industrie-
und Pharmaunfällen sowie bei Berufsunfähigkeitsrenten u.a.)


Liebe Grüße

Norbert

Quellennachweise:


(1) Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland: Verbraucherpreisindex

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/ ... Print.psml

(2) Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland: Informationen zu Warenkorb und Wägungsschema

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/ ... Print.psml

(3) Quelle: Wikpedia zu Inhalt und Zusammensetzung des Warenkorbs

http://de.wikipedia.org/wiki/Warenkorb

(4) Quelle: Zu Geld, Geldmenge M3 und Inflation

http://www.finanzwissen.de/privatanlege ... ation.html

(5) Quelle: Uni Giessen: Prozentuale Steigerung und realer Kaufkraftverlust der gesetzlichen Altersrente in Prozent

http://www.uni-giessen.de/~g41007/steiger.html

(6) Quelle: Petition im deutschen Bundestag Pet 3-16-17-4003-052630
(nachfolgender Text wurde beigefügt)

(7) Quelle: AFP-Meldung vom 19.1.2009 (nachfolgender Text wurde beigefügt)

http://www.google.com/hostednews/afp/ar ... 3Q3YrJHliw

(9) Quelle: Homepage der britischen Contergan-Stiftung: Thalidomide-Trust UK

http://www.thalidomide.org.uk/


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(6) Quelle: Petition im deutschen Bundestag Pet 3-16-17-4003-052630

Pet 3-16-17-4003-052630

Der Deutsche Bundestag möge im Rahmen des 2. Gesetzes zur Änderung des
Conterganstiftungsgesetzes eine Wert erhaltende Dynamisierungsregelung
beschließen, die tatsächlich dem Grundsatz der Nachhaltigkeit entspricht.
Begründung
Derzeit erhalten die ca. 2650 Opfer des wohl größten Arzneimittel-Skandals der
Bundesrepublik Deutschland monatliche Renten in Höhe von 242 – 1090 € durch
die Conterganstiftung für behinderte Menschen. Die im Jahr 2008 durch den
Bundestag beschlossene Anpassung entspricht statistisch dem realen
Wertverlust, den die Contergan-Renten im Laufe ihrer ca. 40-jährigen
Auszahlungszeit (trotz sporadischer Erhöhungen) erfahren haben. In der
Bundestagsdebatte vom 22.01.09 äußerte MdB Dr. H. Kolb (FDP) hierzu: “Vor der
Erhöhung der Conterganrenten zum 01. Juli 2008 erfolgte die letzte
Rentenerhöhung für Conterganopfer am 01. Juli 2004 (Anm.: richtig ist der 01. Juli
2002). Diese langen Zeiträume zwischen den Anpassungen sind unbefriedigend, da die Inflation die Rentenerhöhung aushöhlt.“
Das 2. Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes sieht nun eine
Dynamisierungsregelung für die Renten vor. Demnach soll eine Anpassung in
dem Maße erfolgen, in dem die gesetzlichen Renten steigen.
Diese Regelung könnte mittel- bis langfristig aber wiederum zu einer
Wertminderung der Contergan-Renten führen. Die regelmäßigen Anpassungen
der gesetzlichen Renten werden zukünftig durch den Riester- bzw. einen
Nachhaltigkeitsfaktor gekürzt, um der demographischen Entwicklung in der
Bevölkerung gerecht zu werden. „Das führt zu sehr geringen Rentenanpassungen
oder sogar Nullrunden, (...)“ (Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbandes
Deutschland, www.kobinet.de,


(7) Quelle: AFP-Meldung vom 19.1.2009

Renten 2008 inflationsbereinigt um 1,8 Prozent gesunken
19.01.2009
Berlin (AFP) — Die Zahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung sind im vergangenen Jahr nach einem Forschungsbericht inflationsbereinigt um 1,8 Prozent gesunken. Grund für das Minus sei die hohe Preissteigerung von 2,6 Prozent gewesen, sagte Olaf Weddige vom Forschungszentrum Generationenverträge (FZG) an der Universität Freiburg der "Bild"-Zeitung. Dadurch hätten die Rentner trotz der Rentenerhöhung zum 1. Juli 2008 Einkommensverluste hinnehmen müssen.
Das reale Rentenminus im Jahr 2008 sei bereits das fünfte in Folge, berichtet die Zeitung unter Berufung auf frühere Berechnungen des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG) in Bonn. Danach sank die Kaufkraft der Ruheständler von 2004 bis 2008 um insgesamt rund 8,5 Prozent. Grund seien Nullrunden beziehungsweise minimale Rentensteigerungen bei gleichzeitiger Inflation.

Quelle:
http://www.google.com/hostednews/afp/ar ... 3Q3YrJHliw

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