Gießener Allgemeine Zeitungsartikel

"Offene Briefe" auf Verbandsebene

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Soni56479
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Gießener Allgemeine Zeitungsartikel

#1

Beitrag von Soni56479 » Donnerstag 21. April 2016, 17:01

Artikel vom 20.04.2016 - 15.00 Uhr
Contergan: Geboren in der Katastrophe
Pohlheim/Bad Nauheim (mi). »Uns gibt es immer noch«, betont die Pohlheimerin Iris Leidich-Röllke , die als Pressesprecherin der Contergangeschädigten Hessen für eine angemessene Entschädigung der Opfer kämpft. Am Wochenende trafen sich die Mitglieder und machten auf die erheblichen Folgeschäden der Pharmakatastrophe aufmerksam.

agl_Contagan-1_190416 Lupe - Artikelbild vergrössern Pressesprecherin Iris Leidich-Röllke (l.), Dr. Claus Knapp-Bötticher und Schriftführerin Ramona Bohländer beim Treffen im Dolce. (Foto: mi)
Als Iris Leidich-Röllke zwischen den Vorträgen beim Essen sitzt, ist sie erleichtert, dass ein Tischnachbar die Wasserflasche vor ihr öffnet und einschenkt. »Ich könnte in der Wüste vor einem Kasten Wasser sitzen und müsste verdursten«, sagt sie lächelnd, um doch die Ernsthaftigkeit ihrer Lage zu unterstreichen. Die 54-Jährige aus Pohlheim-Grüningen ist Pressesprecherin im Verein der Contergangeschädigten Hessen und mit verkürzten Armen auf die Welt gekommen. »Viele Betroffene haben erhebliche Zahnschäden, weil sie Flaschen mit dem Mund aufmachen«, erklärt sie. »Überhaupt sind die Folgeschäden mittlerweile viel schlimmer als die Grundschäden selbst.« Auf den ersten Blick hat die Pohlheimerin mit ihrem aus Ober-Mörlen stammenden Mann Lüder Röllke lange ein normales Leben geführt. 25 Jahre war sie erfolgreich berufstätig, hat eine Tochter bekommen, viel Sport getrieben. »Dabei waren wir immer Kämpfer, mussten doppelt so gut wie Andere agieren, um gleichwertig zu sein. Ich habe mich beispielsweise niemals wegen einer Erkältung krankgemeldet, sondern meistens länger durchgehalten als so mancher Kollege.« Nun ist sie nur noch für ihren Verein tätig und benötigt hohe Dosen an Medikamenten. »Denn die Schmerzen bestimmen den Rhythmus, wie der Alltag gestaltet wird. Ich habe große Probleme mit dem Rücken und den Schultern. Der Körper geht jetzt mehr und mehr kaputt. Wir sind Mitte 50, und der innerliche Zustand gleicht teilweise dem eines 80-Jährigen.«

Während der Mitgliederversammlung der Contergangeschädigten Hessen im Hotel Dolce begrüßte sie am Wochenende viele Freunde, Bekannte und Betroffene, aber auch ein spanisches Filmteam, das den Dokumentar-Streifen »50 Jahre Schande« gedreht hat, der den Kampf der Opfer dieser Pharmazie-Katastrophe schildert. »Sie können auch hier bei unseren Mitgliedern erkennen, dass das Medikament Contergan ganz unterschiedliche Schädigungen hervorgerufen hat. Manche sind schwerhörig, taubstumm, haben Lähmungen oder innere Organe, die nur eingeschränkt funktionieren. Der Wirkstoff Thalidomid hat immer das angegriffen, was sich bei der Einnahme gerade beim Embryo entwickelt hat«, erläutert Leidich-Röllke.

Der Skandal
Vor 50 Jahren hat Contergan das Leben tausender Familien zerstört. Denn das Medikament enthält den Wirkstoff Thalidomid, der dafür verantwortlich ist, dass Babys mit schweren Missbildungen zur Welt gekommen sind. Die Betroffenen sind heute Mitte 50, kämpfen mit dramatischen Folgeschäden und fühlen sich von dem dafür verantwortlichen Pharmazie-Unternehmen Grünenthal noch immer nicht ausreichend entschädigt. Das beklagte in der Mitgliederversammlung im Bad Nauheimer Hotel Dolce auch Dr. Claus Knapp-Bötticher, der den Skandal damals mit aufgedeckt hatte. Für ihn ist am Wochenende eigens auch ein Filmteam des ZDF angereist, um einen Beitrag für die Sendung »Hallo Deutschland« zu drehen.
Mit großem Einsatz kämpft der Verein nach wie vor für eine angemessene Entschädigung. »Denn die Firma Grünenthal, die das Medikament auf den Markt gebracht hat, und der Staat sind uns das einfach schuldig. Wir brauchen noch mehr finanzielle Mittel, können nicht von unseren Kindern erwarten, dass sie die ganze Last tragen und das auffangen, was der Staat leisten müsste«, erklärt sie. Zwar gebe es einen finanziellen Topf in der Conterganstiftung, »aber die bürokratischen Hürden sind oft zu hoch, um wirklich an das Geld zu kommen. Zudem gibt es in der Stiftung zu viele, die den spezifischen Bedarf der Geschädigten nicht einschätzen können. Da müssten einfach mehr von uns mitwirken.« Viele Betroffene seien zudem geistig oder körperlich nicht in der Lage, die Bürokratie zu bewältigen und überhaupt Anträge zu stellen. »Zunächst müssen wir bei der Krankenkasse anklopfen, die die Sache in der Regel ablehnt. Danach geht man mit einer Abtrittserklärung zur Conterganstiftung, und dann braucht man viel Glück, um wirklich einmal etwas von der zu hören. Aus meiner Sicht spielt auch die Regierung auf Zeit«, sagt Leidich-Röllke, die ihre Forderungen auf den Punkt bringt: »Eine bessere medizinische Versorgung, Sicherung der Pflege, eine größere Mobilität, wohnungsumfeldverbesserte Maßnahmen, unbürokratische Wege und ein medizinisches Zentrum für Conterganschädigungen in Hessen.« Erschwerend komme dazu, dass die Generation der pflegenden Eltern wegbreche, betonen die Vereinsmitglieder, die sich einmal im Jahr treffen, um zwischen den Vorträgen von Zahnmedizinern, Reha-Spezialisten oder Physiotherapeuten ihre Erfahrungen auszutauschen. »Denn der Alltag hat so viele Hürden, die wir alle unterschiedlich bewältigen müssen. Ich selbst kann natürlich im Supermarkt die Eier in den Wagen legen. Die Frage ist dann halt, wie ich sie wieder herausbekomme«, sagt Iris Leidich-Röllke.

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monika
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#2

Beitrag von monika » Donnerstag 21. April 2016, 17:18

Danke für den Artikel.

:ge
Gruß
Monika

Venator
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#3

Beitrag von Venator » Donnerstag 21. April 2016, 18:37

Prima! :ge :ge

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Frank62
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#4

Beitrag von Frank62 » Donnerstag 21. April 2016, 19:03

Ich habe den Link noch ergänzt.
LG
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95% aller Computerprobleme befinden sich vor dem Monitor. :suprised

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Utekaiser
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#5

Beitrag von Utekaiser » Donnerstag 21. April 2016, 20:58

Soni56479 hat geschrieben:Artikel vom 20.04.2016 - 15.00 Uhr
Contergan: Geboren in der Katastrophe
Pohlheim/Bad Nauheim (mi). »Uns gibt es immer noch«, betont die Pohlheimerin Iris Leidich-Röllke , die als Pressesprecherin der Contergangeschädigten Hessen für eine angemessene Entschädigung der Opfer kämpft. Am Wochenende trafen sich die Mitglieder und machten auf die erheblichen Folgeschäden der Pharmakatastrophe aufmerksam.

agl_Contagan-1_190416 Lupe - Artikelbild vergrössern Pressesprecherin Iris Leidich-Röllke (l.), Dr. Claus Knapp-Bötticher und Schriftführerin Ramona Bohländer beim Treffen im Dolce. (Foto: mi)
Als Iris Leidich-Röllke zwischen den Vorträgen beim Essen sitzt, ist sie erleichtert, dass ein Tischnachbar die Wasserflasche vor ihr öffnet und einschenkt. »Ich könnte in der Wüste vor einem Kasten Wasser sitzen und müsste verdursten«, sagt sie lächelnd, um doch die Ernsthaftigkeit ihrer Lage zu unterstreichen. Die 54-Jährige aus Pohlheim-Grüningen ist Pressesprecherin im Verein der Contergangeschädigten Hessen und mit verkürzten Armen auf die Welt gekommen. »Viele Betroffene haben erhebliche Zahnschäden, weil sie Flaschen mit dem Mund aufmachen«, erklärt sie. »Überhaupt sind die Folgeschäden mittlerweile viel schlimmer als die Grundschäden selbst.« Auf den ersten Blick hat die Pohlheimerin mit ihrem aus Ober-Mörlen stammenden Mann Lüder Röllke lange ein normales Leben geführt. 25 Jahre war sie erfolgreich berufstätig, hat eine Tochter bekommen, viel Sport getrieben. »Dabei waren wir immer Kämpfer, mussten doppelt so gut wie Andere agieren, um gleichwertig zu sein. Ich habe mich beispielsweise niemals wegen einer Erkältung krankgemeldet, sondern meistens länger durchgehalten als so mancher Kollege.« Nun ist sie nur noch für ihren Verein tätig und benötigt hohe Dosen an Medikamenten. »Denn die Schmerzen bestimmen den Rhythmus, wie der Alltag gestaltet wird. Ich habe große Probleme mit dem Rücken und den Schultern. Der Körper geht jetzt mehr und mehr kaputt. Wir sind Mitte 50, und der innerliche Zustand gleicht teilweise dem eines 80-Jährigen.«

Während der Mitgliederversammlung der Contergangeschädigten Hessen im Hotel Dolce begrüßte sie am Wochenende viele Freunde, Bekannte und Betroffene, aber auch ein spanisches Filmteam, das den Dokumentar-Streifen »50 Jahre Schande« gedreht hat, der den Kampf der Opfer dieser Pharmazie-Katastrophe schildert. »Sie können auch hier bei unseren Mitgliedern erkennen, dass das Medikament Contergan ganz unterschiedliche Schädigungen hervorgerufen hat. Manche sind schwerhörig, taubstumm, haben Lähmungen oder innere Organe, die nur eingeschränkt funktionieren. Der Wirkstoff Thalidomid hat immer das angegriffen, was sich bei der Einnahme gerade beim Embryo entwickelt hat«, erläutert Leidich-Röllke.

Der Skandal
Vor 50 Jahren hat Contergan das Leben tausender Familien zerstört. Denn das Medikament enthält den Wirkstoff Thalidomid, der dafür verantwortlich ist, dass Babys mit schweren Missbildungen zur Welt gekommen sind. Die Betroffenen sind heute Mitte 50, kämpfen mit dramatischen Folgeschäden und fühlen sich von dem dafür verantwortlichen Pharmazie-Unternehmen Grünenthal noch immer nicht ausreichend entschädigt. Das beklagte in der Mitgliederversammlung im Bad Nauheimer Hotel Dolce auch Dr. Claus Knapp-Bötticher, der den Skandal damals mit aufgedeckt hatte. Für ihn ist am Wochenende eigens auch ein Filmteam des ZDF angereist, um einen Beitrag für die Sendung »Hallo Deutschland« zu drehen.
Mit großem Einsatz kämpft der Verein nach wie vor für eine angemessene Entschädigung. »Denn die Firma Grünenthal, die das Medikament auf den Markt gebracht hat, und der Staat sind uns das einfach schuldig. Wir brauchen noch mehr finanzielle Mittel, können nicht von unseren Kindern erwarten, dass sie die ganze Last tragen und das auffangen, was der Staat leisten müsste«, erklärt sie. Zwar gebe es einen finanziellen Topf in der Conterganstiftung, »aber die bürokratischen Hürden sind oft zu hoch, um wirklich an das Geld zu kommen. Zudem gibt es in der Stiftung zu viele, die den spezifischen Bedarf der Geschädigten nicht einschätzen können. Da müssten einfach mehr von uns mitwirken.« Viele Betroffene seien zudem geistig oder körperlich nicht in der Lage, die Bürokratie zu bewältigen und überhaupt Anträge zu stellen. »Zunächst müssen wir bei der Krankenkasse anklopfen, die die Sache in der Regel ablehnt. Danach geht man mit einer Abtrittserklärung zur Conterganstiftung, und dann braucht man viel Glück, um wirklich einmal etwas von der zu hören. Aus meiner Sicht spielt auch die Regierung auf Zeit«, sagt Leidich-Röllke, die ihre Forderungen auf den Punkt bringt: »Eine bessere medizinische Versorgung, Sicherung der Pflege, eine größere Mobilität, wohnungsumfeldverbesserte Maßnahmen, unbürokratische Wege und ein medizinisches Zentrum für Conterganschädigungen in Hessen.« Erschwerend komme dazu, dass die Generation der pflegenden Eltern wegbreche, betonen die Vereinsmitglieder, die sich einmal im Jahr treffen, um zwischen den Vorträgen von Zahnmedizinern, Reha-Spezialisten oder Physiotherapeuten ihre Erfahrungen auszutauschen. »Denn der Alltag hat so viele Hürden, die wir alle unterschiedlich bewältigen müssen. Ich selbst kann natürlich im Supermarkt die Eier in den Wagen legen. Die Frage ist dann halt, wie ich sie wieder herausbekomme«, sagt Iris Leidich-Röllke.

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Liebe Grüße Ute & Wölfe mit Tessy;Ismael und Banja im HERZEN

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