***PRESSEBERICHTE**Dezember*2011

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Daniel

***PRESSEBERICHTE**Dezember*2011

#1

Beitrag von Daniel » Donnerstag 1. Dezember 2011, 17:33

Hier könnt Ihr die Presseberichte rund um Contergan lesen,
Kommentare könnt Ihr in einen eigenen Thread schreiben.
Klick--hier kommt Ihr zum Presse-Kommentare-Thread--Klick

Da dieser Thread hier ,gesperrt ist könnt Ihr keine Berichte einstellen,
da wir aber nur einen Pressethread für jeden Monat haben möchten,macht bitte keinen neuen auf,
sondern sendet den von euch gefundenen Pressebericht inkl.Quelle an einen Mod oder den Admin,er wird den Bericht dann hier einstellen , Danke

Daniel

#2

Beitrag von Daniel » Donnerstag 1. Dezember 2011, 17:34

Contergan – der „vergessene“ Skandal

Hamburg (Korrespondenz), 01.12.11: Etwa 200 Contergan-Opfer haben am 26. November in Berlin für eine höhere Entschädigung durch die Herstellerfirma Grünenthal demonstriert.

Am 27. November 1961 wurde das angeblich harmlose Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan vom Markt genommen. Trotz schon bestehender Hinweise auf Gefahren für Embryos wurden weltweit mindestens 10.000 Babys mit Missbildungen geboren. „Schmerz ist unsere Kernkompetenz“ – mit diesem zynischen Werbeslogan wirbt die Firma Grünenthal heute noch im Internet.

Das Ausmaß aller heute bekannten Schäden wird auf 8 Milliarden € geschätzt. Aber nach einem jahrelangen Strafverfahren – das 1970 „wegen Geringfügigkeit“ von der deutschen Justiz eingestellt wurde - erklärte sich die Firma Grünenthal gerade mal zu 100 Millionen DM Entschädigungszahlung bereit. Es wurde eine Stiftung ins Leben gerufen und damit alle Opfer hinsichtlich ihrer Forderungen enteignet. Als „Ausgleich“ dafür erhielten die Betroffenen eine lebenslange, aber minimale Rente. Da die Geldmittel der Stiftung schon in den 1990er Jahren aufgebraucht waren, werden die Zahlungen seitdem aus Steuermitteln bezahlt.

All dies war auch Gegenstand einer informativen Veranstaltung im Kulturtreff „Dock 220“ in Hamburg-Altona mit dem Vorsitzenden des Hamburger Landesverbands der Contergangeschädigten. Bis heute gibt es weder eine öffentliche Entschuldigung der Verantwortlichen noch eine angemessene Entschädigung für das zugefügte Leid. Den Contergan-Geschädigten wird auch nach über 50 Jahren noch zugemutet, dass sie als Bittsteller um unverzichtbare Hilfsleitungen, Hilfsmittel und Betreuungsdiensten auftreten müssen. (Nähere Informationen über: www.contergan-ag50.de)
Die MLPD Hamburg erklärt die uneingeschränke Solidarität mit den Contergan-Opfern und ihrem gerechten Kampf nach ausreichender Entschädigung!
quelle

Daniel

#3

Beitrag von Daniel » Samstag 10. Dezember 2011, 08:40

Porträt: Claudia Klein, die als Contergan-Geschädigte ohne Arme zur Welt kam, feiert am Montag ihren 50. Geburtstag
"Ich will keinen Tag meines Lebens missen"

Von unserem Redaktionsmitglied Katrin Filthaus

Dass sie am Montag ihren 50. Geburtstag feiert, sieht man Claudia Klein wahrhaftig nicht an. Vielleicht liegt das an der positiven Energie, die sie ausstrahlt, und der Offenheit, mit der sie anderen begegnet. "Ich will keinen Tag missen", sagt die 49-Jährige. Etwas, das wohl nicht viele Menschen von ihrem eigenen Leben sagen. Und auf den ersten Blick wirkt ihre Aussage überraschend, denn Claudia Klein ist behindert, sie kam ohne Arme zur Welt. Sie ist eine von etwa 2700 Contergan-Geschädigten, die in Deutschland leben.

"Ich habe noch nie mit meinem Schicksal gehadert. Mir geht es überhaupt nicht schlecht, ich habe mich prima arrangiert", erklärt die sympathische Frau lächelnd. Etwaige Scheu ist schnell verflogen, wenn man mit ihr ins Gespräch kommt. Und genau das ist es, was sie möchte: Offenheit und Natürlichkeit im Umgang miteinander. Und das ist es auch, was ihr an ihrer Heimatstadt Oftersheim so gut gefällt: "Die Menschen waren von Anfang an offen und sind mir völlig frei begegnet", erzählt sie. Das ist keine Selbstverständlichkeit, Behinderte, die weniger kommunikativ sind als sie, würden sich einen weniger gehemmten Umgang wünschen.

Dass Claudia Klein so zufrieden auf ihr bisheriges Leben zurückblicken kann, hat sie - neben einer positiven Grundeinstellung - ihren Eltern zu verdanken. "Sie haben mir beigebracht, dass alles geht, wenn man nach einer Lösung sucht." Erst relativ spät kam sie in "die Welt der Nichtbehinderten", wie sie es nennt. Bis zu ihrem 17. Lebensjahr ging sie im Rehabilitationszentrum in Neckargemünd zur Schule, zusammen mit den anderen Contergan-geschädigten Kindern. Sie machte dann in Schwetzingen Abitur und studierte Sozialpädagogik in Mannheim
Tochter größte Hilfe

Zu den Behinderten, mit denen sie aufwuchs, pflegt sie heute noch enge Verbindungen. Zusammen entwickeln sie Methoden und Hilfsmittel, um sich den Alltag zu erleichtern. Claudia Klein hat beispielsweise Anziehhilfen, mit denen sie Jeans, Stiefel, ja alle Kleidungsstücke anziehen kann. "Aber meistens hilft mir meine Tochter", erklärt sie stolz und lächelt die 15-jährige Madelenja, die sie alleine großgezogen hat, an. Die beiden haben gemeinsame Hobbys, sie gehen zusammen auf Fototour, lernen spanisch und seit einiger Zeit reiten sie in Schwetzingen.

Claudia Klein hat mehr Sportarten ausprobiert, als viele ihrer nicht-behinderten Mitmenschen: Ski fahren, schwimmen, Stepptanz, reiten, "es gibt keine Schwierigkeiten, nur Herausforderungen", lautet ihr Motto. Diese Haltung gibt sie an andere Frauen weiter. Im Verein BiBeZ in Heidelberg ist sie im Vorstand aktiv. BiBez, das steht für Bildung integriert, Beratung eröffnet Zukunft. Bis zum dritten Lebensjahr ihrer Tochter konnte sie dort viel Zeit investieren, danach stieg sie wieder ins Berufsleben ein. Zwischenzeitlich arbeitete die Sozialpädagogin sogar Vollzeit: "Ich wollte meinen Lebensstandard halten." Für die Contergan-Geschädigten gibt es nur eine kleine Entschädigung, maximal 1100 Euro im Monat für die Schwerstbetroffenen. Claudia Klein hat ein spezielles Auto, einen Tisch, der auf sie eingestellt ist, eine spezielle Tastatur. Die Krankenkasse zahlt nur wenige Hilfsmittel. Zufriedengeben wollen sich die 49-Jährige und zehn Freunde, die zusammen im Contergannetzwerk Deutschland aktiv sind, nicht sie klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen diese geringen Ansprüche. "Ich will nicht, dass mich später meine Tochter pflegen muss, oder sogar Ihr Leben lang für meine Pflege zahlen muss", begründet sie die Klage.

Doch Rechtsstreit hin oder her, eines sagt die 49-Jährige mit Überzeugung: "Ich habe alles richtig gemacht" - und das feiert sie kommenden Samstag mit rund 70 Gästen.

Schwetzinger Zeitung
10. Dezember 2011

quelle

Daniel

#4

Beitrag von Daniel » Samstag 10. Dezember 2011, 08:42

Schwangerschaft
Fehlbildungen durch Arzneimittel auch nach Contergan ein Problem

Die Contergan-Katastrophe hat zwar zu einer strengeren Arzneimittelgesetzgebung geführt. Doch 50 Jahre nach Marktrücknahme von Contergan gehören Fehlbildungen durch Arzneimitteleinnahme in der Schwangerschaft immer noch nicht der Vergangenheit an. Im Gegenteil, sie scheinen zunehmend häufig als ein Bestandteil der generellen Nutzen-Risiken-Bewertung akzeptiert zu werden, so der Toxikologe Prof. Dr. Ralf Stahlmann vom Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité - Universitätsmedizin Berlin.

In der aktuellen Ausgabe der DAZ analysiert er Arzneistoffe, die schon bei der Zulassung Risiken erkennen ließen, und solche, bei denen die Risiken erst nach jahrelangem Gebrauch offenkundig wurden. Zwar helfen unter anderem Schwangerschaftsregister, potenziell teratogene Arzneimittel frühzeitig zu erkennen. Doch die Konsequenzen, die zum Teil aus solchen Erkenntnissen gezogen werden, stoßen bei Stahlmann auf Kritik. So ist für ihn die Indikation Migräneprophylaxe für das als humanteratogen eingestufte Antiepileptikum Topiramat nicht akzeptabel.
Bemerkenswert findet Stahlmann, dass in den USA bei der Bewertung der Teratogenität von Fluconazol erstmals auch die Dosierung berücksichtigt wurde. Danach wird eine niedrige Einmaldosierung von 150 mg zur Behandlung einer Vaginalcandidose der FDA-Teratogenitätsklassifizierung C zugeordnet und kann damit bei Schwangeren eingesetzt werden. Eine mehrfach Gabe von Fluconazol in Dosierungen von 400 bis 800 mg wird dagegen als humanteratogen eingestuft (Klasse D). In Deutschland wird eine solche Dosis-abhängige Unterteilung nicht vorgenommen. Hier ist laut Roter Liste Fluconazol in der Schwangerschaft kontraindiziert, eine Schwangerschaft muss vor Therapiebeginn ausgeschlossen werden. In der Fachinformation wird dagegen auf die widersprüchliche Datenlage verwiesen und die Empfehlung "Die Verwendung während der Schwangerschaft sollte vermieden werden“ ausgesprochen. Andere Azol-Antimykotika wie Posaconazol (FDA Klasse D = humanteratogen), Itraconazol (FDA Klasse C) und Voriconazol (FDA Klasse C) sind in der Roten Liste mit dem Hinweis Gr. 6 versehen, was bedeutet, dass keine ausreichende Erfahrungen beim Menschen vorliegen, Tierversuche aber Hinweise für embryotoxische/teratogene Wirkungen ergeben haben. Solche unterschiedlichen Bewertungen von Behörden und Herstellern erschweren den Umgang mit den betroffenen Arzneimitteln, so Stahlmann. Er plädiert nicht zuletzt aufgrund der neuen FDA-Bewertung von Fuconazol für einen noch strikteren Umgang mit diesen Medikamenten bei Frauen im gebärfähigen Alter.

quelle

Daniel

#5

Beitrag von Daniel » Dienstag 20. Dezember 2011, 08:40

Sammelklage von Contergan-Opfern in Australien erlaubt

Sydney — In Australien hat ein Gericht eine Sammelklage von Contergan-Opfern gegen das deutsche Pharmaunternehmen Grünenthal zugelassen. Das oberste Gericht im Bundesstaat Victoria wies einen Antrag der Herstellerfirma ab, das Verfahren nach Deutschland zu verlegen oder einzustellen. Damit gab das Gericht der 49-jährigen Lynette Suzanne Rowe Recht, deren Mutter während der Schwangerschaft ein Beruhigungsmittel mit dem Contergan-Wirkstoff Thalidomid eingenommen hatte und die danach mit Missbildungen an Armen und Beinen auf die Welt gekommen war.

Medienberichten zufolge haben sich ihrer Klage mehr als hundert Contergan-Opfer angeschlossen, die zwischen 1958 und 1970 in Australien geboren wurden. Rowe führt ihre Behinderung auf den Contergan-Wirkstoff Thalidomid zurück. Ihre Klage richtet sich gegen Grünenthal, den damaligen britischen Vertreiber Distillers und die Nachfolgegesellschaft Diageo.

Der Richter David Beach sprach sich für einen Prozess in Australien aus, weil Rowe in Australien geboren wurde und dort auch alle Zeugen für ihre Behinderung leben. Er äußerte zwar auch Verständnis für die Argumente von Grünenthal, wonach sich alle wichtigen Dokumente und die meisten Zeugen zur Entwicklung von Thalidomid in Deutschland befinden. Insgesamt sei Australien als Verfahrensort aber nicht "eindeutig ungeeignet". Der Prozess soll im kommenden Jahr in Melbourne beginnen.

In Deutschland war das Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan von 1957 bis 1961 rezeptfrei vertrieben worden. Sein Wirkstoff Thalidomid führte weltweit bei insgesamt bis zu 12.000 Kindern, davon rund 5000 in Deutschland, zu dauerhaften Schädigungen wie schwerwiegende Fehlbildungen von Armen und Beinen.
quelle

Daniel

#6

Beitrag von Daniel » Dienstag 20. Dezember 2011, 13:59

Westerwälder kämpft um Anerkennung als Contergan-Geschädigter

Westerwald - 50 Jahre nach Bekanntwerden des Contergan-Skandals kämpft ein Westerwälder noch immer um Anerkennung seiner Behinderungen durch die zuständige Stiftung. Stefan Meppler (Name von der Redaktion geändert) wirkt auf den ersten Blick gesund. Von den typischen Deformationen an Armen oder auch Beinen ist er verschont geblieben, obwohl seine Mutter das Schlafmittel in der Schwangerschaft einnahm. Doch er leidet seit seiner Geburt im Jahr 1959 an Missbildungen innerer Organe, für die es seiner Auffassung nach nur eine Erklärung geben kann: Contergan.

Stefan Meppler war schon als Säugling krank. Seine Blase war mit dem Darm zusammengewachsen. Der Kopf stand schief. Eine Fehlbildung an der linken Ohrmuschel schränkte sein Hörvermögen ein. Eine Erklärung hatten die Ärzte damals nicht. Seine heute 81-jährige Mutter hat nie geraucht oder übermäßig getrunken. Die 1951 und 1965 geborenen Brüder sind kerngesund.

Die Fehlstellung von Mepplers Kopf konnte durch eine Operation korrigiert werden. Bei weiteren Eingriffen wurden Darm und Blase getrennt sowie eine neue Harnröhre aufgebaut. Die Ärzte sorgten für Linderung. Einige Probleme jedoch ließen sich nicht beheben. Der 52-Jährige leidet noch heute unter einer sogenannten Faltblase mit geringem Fassungsvermögen und hat schon von Kindheit an einen künstlichen Darmausgang. Seine Behinderung ist gutachterlich anerkannt.

Über die Ursache jedoch herrschte jahrzehntelanges Rätselraten. Die Eltern konnten sich die Fehlbildungen schlichtweg nicht erklären und schwiegen wohl auch aus Scham, wie Stefan Meppler vermutet. Mit einem behinderten Kind sei man in den 60er-Jahren schließlich nicht selten gesellschaftlich geächtet worden. Erst als 2007 der Film "Contergan" im Fernsehen ausgestrahlt wurde, fiel der Mutter wieder ein, dass sie das Schlafmittel einst selbst eingenommen hatte - zwei- oder dreimal in der Schwangerschaft, berichtete sie ihrem Sohn. Die Proben habe sie damals von ihrem Arzt erhalten. Auch Mepplers Onkel konnte sich daran erinnern. Der Vater ist bereits verstorben.

Nach fünf Jahrzehnten hatte der Westerwälder endlich eine Erklärung für sein Leiden, und er hoffte auf finanzielle Hilfe, da er aufgrund seiner Behinderung arbeitsunfähig ist. Doch die Erleichterung währte nicht lange: Der Zusammenhang zwischen den Fehlbildungen an Mepplers Organen und der Contergan-Einnahme seiner Mutter wird von der zuständigen Stiftung nicht anerkannt. Die Schädigungen seien nicht typisch für den Wirkstoff Thalidomid und müssten eher eine andere Ursache haben, heißt es in der Begründung.

Tatsächlich gibt es unter den circa 5000 Contergan-Opfern in Deutschland fast keine Patienten, bei denen ausschließlich innere Organe betroffen sind. Einige Ärzte sind der Auffassung, dass diese Fälle schlichtweg nicht vorkommen. Andere gehen davon aus, dass die Organschädigungen in der Regel zum Tod der ungeborenen Kinder und Säuglinge geführt haben und dass es deshalb kaum Betroffene gibt.

http://www.rhein-zeitung.de/regionales/ ... 54808.html

Ein Arzt, der Meppler im Jahr 2010 untersuchte, bescheinigt ihm zwar die Thalidomid-Schäden. Die Contergan-Stiftung hingegen, die den Befund anhand der Aktenlage bewertete, schließt genau das mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. In einem anwaltschaftlichen Schreiben gibt sie für jede der beschriebenen Fehlbildungen an, wie häufig eine solche Erkrankung in der Allgemeinbevölkerung vorkommt. Wie wahrscheinlich es ist, dass genau diese Fülle von Missbildungen bei einer einzigen Person auftritt, wird nicht ausgeführt. "Hier geht es nur ums Geld", vermutet Meppler.

Der 52-Jährige ärgert sich jedoch nicht nur über die Ablehnung seines Antrags auf Entschädigung. Auch der Ton der Stiftung gefällt ihm überhaupt nicht. Ihm sei sinngemäß gesagt worden, er solle froh sein, dass er überhaupt noch lebt, berichtet Meppler. Aufgeben will er allerdings nicht, da es keine schlüssigere Erklärung für sein Leiden gibt als Contergan.

http://www.rhein-zeitung.de/regionales/ ... articletop






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Information
Diese Mail wurde von http://www.contergan-sh.de über den Newsletter verteilt.
Weiterleitung dieser Mail ist nur erlaubt, wenn diese Fußdaten mit übermittelt werden.
© http://www.contergan-sh.de

Daniel

#7

Beitrag von Daniel » Freitag 30. Dezember 2011, 19:18

Contergan-Geschädigte ziehen in Werne Bilanz

WERNE ▪ Haare waschen, der Gang zur Toilette, das Ankleiden – Contergan-Geschädigte mit kurzen Armen können all das nicht allein. Wo die Familie nicht (mehr) helfen kann, muss der Pflegedienst anrücken. Die Folgen von Contergan haben viele Gesichter: Es gibt kurze Beine, fehlende Ohren, unausgeprägte Genitalien und Organschäden. Probleme bereiten die Spätfolgen, die jetzt mit ganzer Wucht durchschlagen. Am 14. Januar gibt es in Werne ein Treffen von Contergan-Geschädigten, die anderen helfen wollen.

Neben körperlichen Problemen durch die jahrzehntelange Fehlbelastung gibt es psychische Probleme. Die Eltern leben oft nicht mehr, weil Geschwister oft zurückstecken mussten, belasten unausgesprochene Dinge das Verhältnis. Oft sitzen Contergan-Geschädigte allein vor Anträgen oder auszufüllenden Formulare. Oder sie brauchen nur einmal jemanden zum Reden, der sie versteht.

Deshalb hat der Interessenverband Contergan-Geschädigter Nordrhein-Westfalen das Peer-to-Peer-Programm entwickelt und im September gestartet. „Hier helfen Kurzarmer Kurzarmern, Rollstuhlfahrer Rollstuhlfahrern, Gehörlose Gehörlosen. Der Gedanke dahinter ist der, dass auch nur Frauen Frauen verstehen“, beschreibt Vorsitzender Udo Herterich lachend. Doch das Konzept bietet mehr als die Hilfe zur Selbsthilfe, es ist bezahlte Hilfe, kein Ehrenamt.

„Wir haben 800 Betroffene in Nordrhein-Westfalen, das ist die höchste Zahl in Deutschland“, erläutert Vorstandsmitglied Bärbel Drohmann aus Werne. „Wir sind mit dem Projekt immer noch einzigartig“, sagt sie und weiß: „Viele andere Verbände gucken schon ein wenig neidisch auf uns.“

Der Interessenverband hat acht Contergan-Geschädigte fest angestellt, die andere Betroffene in allen Belangen unterstützen sollen. Ob Rentenanträge stellen oder Fahrdienste, ob Beratung zu Pflegegeld, die Beschaffung einer Arbeitsassistenz oder eben das Gespräch beim Essen – die so genannten Peers können bei allem helfen und werden eigens geschult. Für sie selbst hat die Aufgabe ebenfalls einen großen Nutzen: Sie erhalten ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis.

Unterstützt wird das Projekt von NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens. Finanziert wird es zu 80 Prozent über zwei Stiftungen. Die restlichen 20 Prozent bringt der Interessenverband Contergangeschädigter NRW selbst auf: über Spenden. Am 14. Januar treffen sich Peers und Vorstand zu einem Arbeitstreffen mit Zwischenbilanz in Werne. Dann soll sich zeigen, an welchen Stellschrauben künftig gedreht werden muss. ▪ tat

da ist es zu finden-klick

Daniel

#8

Beitrag von Daniel » Samstag 31. Dezember 2011, 08:12

Contergan: Der in Dietenhan lebende Peter Büttner ist Vorsitzender des Hilfswerks für Gliedmaßengeschädigte in Unterfranken
Älterwerden war nicht mit einkalkuliert

Von unserem Redaktionsmitglied Heike v. Brandenstein

Dietenhan. Peter Büttner ist ein Kämpfer. Das zumindest sagt seine Frau. Er selbst kommentiert das nicht. Lächelnd geht er über den Einwurf hinweg, berichtet vom Verfahren gegen das Stolberger Pharmaunternehmen Grünenthal, von den Forderungen der Contergan-Geschädigten oder vom Wirkstoff Thalidomid.

Peter Büttner ist Jahrgang 1961. Seine Mutter hatte - wie im erst kürzlich wiederholten Film - eine einzige Schlaftablette des Mittels Contergan geschluckt, als sie noch gar nicht wusste, dass sie mit ihm schwanger war. "Sie hat als Krankenschwester in der Uniklinik gearbeitet und hatte immer Schlafprobleme, wenn sie von der Nacht- zur Tagschicht wechselte", berichtet er. Dass die damals als harmlos geltenden Tabletten fatalen Folgen auf ihren Sohn haben würden, habe sie sich immer zum Vorwurf gemacht.

Peter Büttner wurde durch die Wirkung des Beruhigungsmittels Contergan als Embryo verstümmelt. Als er geboren wurde, hatte die Hebamme zu seiner Mutter gesagt, das sei doch nicht so schlimm. Das Kind werde nach ein oder zwei Wochen ohnehin sterben. 50 Jahre ist das her. Ende November 1961, ebenfalls vor 50 Jahren, zog der Contergan-Produzent Grünenthal das Medikament zurück. Der Skandal aber nahm da erst seinen Anfang.

Peter Büttner hatte Glück. Glück in einer starken Familie aufzuwachsen, die voll und ganz hinter ihm stand. Vor allem Großmutter und Vater waren ihm eine Stütze und setzten sich immer wieder für ihn ein. "Ich habe von Anfang an ein gesundes Selbstbewusstsein gehabt", schildert er. Natürlich gab es auch Hänseleien wegen der kurzen Arme, die seien aber eher selten gewesen.

"Ich bin in Würzburg in der ,Pleich' aufgewachsen, wo es damals relativ grob zuging", erzählt er. "Ich habe mich durchgekämpft, Fußball gespielt und bin draußen mit den anderen Kindern herumgetobt." Dennoch gab es einen tiefen Einschnitt, an dem er noch heute knabbert: Mit vier Jahren kam er für ein Vierteljahr zur Beobachtung ins König-Ludwig-Haus. Eigentlich fehlte ihm, außer den Armen, nichts. Er raste mit einem Spielzeugrennauto durch die Gänge, erinnert er sich. Das Zuhause aber vermisste er schmerzlich. Seitdem sind Krankenhäuser für ihn ein Graus.
Bloß nicht in ein Heim

Dieses Gefühl des Ausgeliefertseins war wohl auch der Grund dafür, sich im Alter von fünf Jahren zu weigern, als Abc-Schütze in ein Heim nach Altdorf bei Nürnberg zu gehen. Dorthin sollten alle irgendwie Körperbehinderten, ob Contergangeschädigt oder aus anderem Grund eingeschränkt. Eine spezielle Förderung wurde versprochen, die Ärzte empfahlen die Einrichtung. "Damals wurde den Ärzten nicht widersprochen. Da wurde gemacht, was sie sagten", meint Peter Büttner.

Doch mit seiner vehementen Gegenwehr setzte er sich durch. Er besuchte die Schule in der Pleich und wurde gut aufgenommen. Büttner: "Ich hatte kriegsversehrte Lehrer, deren Verständnis mir den schulischen Werdegang extrem erleichtert haben." Es folgten Ausbildung und Berufstätigkeit. 26 Jahre war Büttner als Sachbearbeiter bei der Uniklinik Würzburg beschäftigt, mit 45 Jahren wurde er berufsunfähig.

Schon immer hat er sich für Contergangeschädigte eingesetzt, seit etlichen Jahren ist der in Dietenhan Wohnende Vorsitzender des Hilfswerks für Gliedmaßengeschädigte in Unterfranken, einer Untergruppierung des Bundesverbands Contergangeschädigter. In dieser Funktion tauscht er sich mit Betroffenen aus und informiert. Was ihn am meisten ärgert, ist das Unternehmen Grünenthal , das "das Medikament mit Absicht auf den Markt gebracht hat, um Profit zu machen."

"Niemand hat Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre damit gerechnet, dass Contergangeschädigte alt werden", erläutert Büttner seinen Ärger. Und das Leben als Behinderter werde mit zunehmendem Alter kostspieliger, weil immer mehr Folgebeschwerden hinzukämen.

Immerhin lebten von den offiziell 5000 Contergangeschädigten noch 2700, so Büttner. Peter Büttner beschreibt die Situation als Erwerbsunfähiger so: "Das ist kein Fass ohne Boden, sondern wie ein Fass, das ein Loch hat."

Während ein Beschäftigter Zuschüsse für den Autoumbau oder anderes bekommt, zahle kein Amt mehr bei Erwerbsunfähigkeit. Die lebenslang unüblichen Bewegungen seien es gewesen, die seinen Körper verschlissen und ihn letztlich zwangen, die Rente einzureichen. Allein eine Lenkradverlängerung koste 10 000 Euro. "Soll man ein Auto, das man sich mit 40 Jahren kauft bis zum 70. Lebensjahr fahren?", beschreibt Büttner das Dilemma.

Dennoch lässt er sich nicht aus dem Tritt bringen. Zwar läuft er keine Marathons mehr, doch dafür widmet er sich mit viel Herzblut der Suchhundeausbildung. Mittlerweile ist er Vorsitzender des Vereins "Mantrailer Mainfranken". "Uns geht es darum, die Hunde instinktnah zu beschäftigen", beschreibt er die Motivation. Er selbst gibt Suchhundeseminare und macht sich in seiner Hundeschule in Lindelbach für ein gutes Miteinander von Mensch und Hund stark.

Er wirkt zufrieden, wenn er neben seinen beiden Settern steht. Über seine Behinderung kann er sogar witzeln: "Lieber Arm ab als arm dran."

Fränkische Nachrichten
31. Dezember 2011

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