**PRESSEBERICHTE FEBRUAR 2012**

Auch Gäste können hier lesen

Moderatoren: sonnschein, Mueck, Presse

Gesperrt
Daniel

**PRESSEBERICHTE FEBRUAR 2012**

#1

Beitrag von Daniel » Mittwoch 15. Februar 2012, 16:52

Hier könnt Ihr Presseberichte,
alles rund um Contergan vom Februar 2012 finden.
.

Kommentare könnt Ihr hier (klick)einstellen.

Kommentare sind nicht öffentlich!

Daniel

#2

Beitrag von Daniel » Mittwoch 15. Februar 2012, 16:56

Nachfolgende Pressemitteilung ist bereits vom Januar ,
da der BV diesbezügl.eine Pressemeldung heraus gegeben hat,hier nun im Februarthread
***************************************************************************************

Auf vier Säulen hin zu mehr Wachstum

28.01.2012, 10:00 Uhr

Aachen. Da ist wohl heftig nachverhandelt worden hinter den Kulissen. Am Donnerstagabend konnte das Aachener Pharmaunternehmen Grünenthal doch noch den Verkauf seines Mitteleuropa-Geschäfts vermelden - genau an jene Stada Arzneimittel AG, die Anfang des Jahres noch von dem eigentlich schon fast perfekten Geschäft zurückgetreten war.

Stada zahlt nun 160 Millionen Euro, 48 Millionen weniger als ursprünglich vorgesehen. Das Unternehmen aus Bad Vilbel hatte zuvor schon das Grünenthal-Geschäft für Osteuropa und den Nahen Osten gekauft - Teil der Bemühungen des Aachener Familienunternehmens, sich neu aufzustellen.

Das Schmerzgeschäft soll im Mittelpunkt stehen. Im Fokus: Palexia, das Schmerzmittel, das Grünen- thal entwickelt und im Herbst 2010 in Deutschland auf den Markt gebracht hatte. Unser Redakteur Hermann-Josef Delongesprach mit Grünenthal-Vorstandschef Harald F. Stock.

Herr Stock, der Verkauf des Mitteleuropa-Geschäfts an Stada ist doch noch geglückt. Sie müssen sehr zufrieden sein.

Stock: Das bin ich. Wir hätten allerdings auch ohne diesen Verkauf die notwendige Liquidität erreicht, die wir brauchen, um in Wachstum durch Akquisition zu investieren. Das ist einer der Schwerpunkte für 2012.

Was bedeutet das konkret: «Wachstum durch Akquisition»? Wollen Sie weiter in Lateinamerika zukaufen?

Stock: Wir sind seit langem in Lateinamerika, also in Märkten, die sich extrem schnell entwickeln, gut vertreten. Und wir haben Anfang 2011 eine erste Akquisition in Brasilien getätigt, um auch dort den Markteinstieg vorzubereiten. Wir werden in den nächsten Monaten dort die ersten Umsätze realisieren. Lateinamerika trägt derzeit in der Summe 20 Prozent zum weltweiten Umsatz bei, in den kommenden drei bis vier Jahren wollen wir das auf 40 Prozent steigern. Da spielen Zukäufe natürlich eine Rolle.

Welche Zahlen erwarten Sie für 2011?

Stock: Wir rechnen mit Umsatzerlösen von rund 915 Millionen Euro. 2010 waren es 910 Millionen. Das hört sich nicht spektakulär an. Wenn man allerdings die Geschäfte, die verkauft worden sind, herausrechnet, ergibt sich für das Kerngeschäft in Europa ein Wachstum von 18 Prozent und in Lateinamerika auf Eurobasis um zwölf Prozent, ohne Wechselkurseffekte sogar um 20 Prozent. Das ist das Ergebnis unseres konsequenten Kurses der Fokussierung.

Die Gewinnmarge lag 2010 allerdings bei nur neun Prozent vom Umsatz. Ist das Grund zur Sorge?

Stock: Wir haben massiv in Forschung und Entwicklung investiert und tun dies weiter. Der Branchenschnitt investiert etwa 15 Prozent der Umsatzerlöse, wir nähern uns der 30-Prozent-Marke. Alle Effizienzgewinne haben wir in diesen Bereich gesteckt. Wir müssen nicht dem Kapitalmarkt dienen und nicht jedes Jahr bessere Nettoergebnisse liefern, sondern können als Familienunternehmen langfristig investieren und eine bewusste Reduktion der Nettomarge in Kauf nehmen.

Die Eigentümer sehen das auch so?

Stock: Absolut. Wir haben eine gemeinsame Zukunftsstrategie, die die langfristige Unabhängigkeit von Grünenthal sicherstellt - mit dem Bekenntnis zur Innovation im Bereich Schmerz, zu neuen Technologien, zum Wachstum unseres Schmerzgeschäftes in Europa und - auch durch Firmenzukäufe - in Lateinamerika sowie durch Partnerschaften in den USA.

Grünenthal will sich auf das Kerngeschäft Schmerz konzentrieren. Sie haben es da mit der Konkurrenz von großen Konzernen zu tun. Ist das Risiko für ein mittelständisches Unternehmen nicht zu hoch?

Stock: Nein. Der Schmerz-Sektor ist ein riesiger Markt, gerade für Unternehmen wie Grünenthal, die auf Innovationen setzen. Allein bei den ganz starken Schmerzmitteln gibt es weltweit ein jährliches Marktvolumen von 70 Milliarden Dollar. Da ist noch ganz viel Platz für uns. Und wir tragen die Risiken nie allein. Wir bestreiten unsere gesamte Wertschöpfungskette mit Partnern, von der frühen Forschung über die Entwicklung bis zur Vermarktung. Zudem gibt es insbesondere im Bereich der Behandlung von chronischen Schmerzen noch etliche ungedeckte Patientenbedarfe.

Wie läuft Palexia?

Stock: Palexia ist unsere erfolgreichste Schmerzmittel-Einführung aller Zeiten. Als letzter großer Markt in Europa steht jetzt noch Frankreich aus. Wir rechnen mit der Zulassung bis spätestens Anfang kommenden Jahres.

Mit welchem Umsatz rechnen Sie?

Stock: Wir erwarten aus unserem direkten Palexia-Geschäft in Europa mittelfristig einen Umsatz von 500 Millionen Euro pro Jahr. Dazu kommt das Lizenzgeschäft in den außereuropäischen Märkten. Insgesamt hat der Wirkstoff Tapentadol für uns und unseren Lizenzpartner zusammen ein weltweites Marktpotenzial von deutlich mehr als einer Milliarde Euro jährlich.

Bis wann soll das erreicht werden?

Stock: In der Regel wird in den ersten fünf bis sechs Jahren nach Einführung eines Mittels die Umsatzspitze erreicht.

Sie haben einmal ein Gesamtumsatziel für Grünenthal von 1,5 Milliarden Euro für 2015 genannt. Gilt das noch?

Stock: Ja, das steht noch.

Steht und fällt dieses Ziel mit dem Erfolg von Palexia?

Stock: Nicht unbedingt. Palexia spielt in Lateinamerika zum Beispiel nur eine untergeordnete Rolle. Und unser Produkt Versatis, ein Lidocain-Pflaster zur Behandlung neuropathischer Schmerzen nach einer Herpes-Zoster-Infektion, hat sich extrem gut entwickelt. Es ist zwei Jahre hintereinander um deutlich mehr als 50 Prozent zum Vorjahr gewachsen. Diese beiden Produkte werden in den kommenden Jahren unser Wachstum treiben. Hinzu kommt der Markt in Lateinamerika. Vierter Erfolgsfaktor ist unsere Technologie gegen den Schmerzmittelmissbrauch, der vornehmlich in den USA ein großes volkswirtschaftliches Problem darstellt: die nahezu «unkaputtbare Pille», die man auch mit 50 Hammerschlägen nicht zerkleinern kann.

Warum braucht das der Markt in Amerika?

Stock: Starke Schmerzmittel werden dort als Partydroge missbraucht. Es gibt Studien, die belegen, dass der Missbrauch um 60 Prozent zurückgeht, wenn man die Pille nicht zerstören kann. Mittlerweile sind alle patentgeschützten Schmerzmittel in den USA mit unserer Technologie versehen. Das ist ein riesiger Erfolg. Wir würden uns wundern, wenn nicht auch die generischen Schmerzmittel in den USA bald diese Barriere bekämen.

In Europa ist das kein Thema?

Stock: Hier ist die Kontrolle entlang der Kette Arzt-Rezept-Apotheke-Patient deutlich schärfer. In den USA haben Patienten außerdem die Möglichkeit, sich ein Medikament bis zu fünf Mal hintereinander verschreiben zu lassen - unabhängig davon, ob sich der Schmerz gelindert hat. Diese TRF-Technologie ist aber nur ein Ausgangspunkt. Der Idealfall wäre, wenn ein Mittel so wirkt, dass es den Schmerz sehr gut lindert, das Missbrauchspotenzial aber, also dieses euphorische High-Gefühl, nicht hervorruft. Wir haben Produkte in der Pipeline, die nur noch peripher wirken. Das sind immer noch Opium-Derivate, aber alles, was das Molekül am Opiat-Rezeptor im Hirn andocken lässt, ist ausgeschaltet. Man kann diese Mittel in so geringen Dosen anwenden, dass auch die anderen Nebenwirkungen dramatisch gesenkt werden. In diese Richtung sind wir auch schon bei Tapentadol, dem Palexia-Wirkstoff, gegangen.

Was Sie Fokussierung nennen, beinhaltete gravierende Maßnahmen. Sie haben Geschäftszweige verkauft und Stellen abgebaut. Ist der Prozess abgeschlossen?

Stock: Jawohl. Der Prozess ist vollständig abgeschlossen.

Die Entlassungen haben für böses Blut gesorgt. Das ist vom Tisch?

Stock: Ich glaube, die Erfolge sprechen für sich. Wenn eine Mannschaft frustriert wäre, dann hätten wir nicht das zustande gebracht, was wir in den vergangenen Jahren geschafft haben.
Quelle

Daniel

#3

Beitrag von Daniel » Samstag 18. Februar 2012, 17:29

18.02.2012


Medikamenten-Skandal
"Contergan war ein Kollateralschaden"

Jan Schulte-Hillen hat wegen des Schlafmittels kurze Arme. Mehr nicht. Er sagt, dass er Glück hat und das Medizinprodukte immer noch lax getestet werden.von Heike Haarhoff

Man sollte nicht versuchen, Jan Schulte-Hillen als behindert zu bezeichnen. Auch wenn das Contergan seinen Körper verändert hat. Man muss dann mindestens mit einer sehr energischen Antwort rechnen: "Vorsicht! Ich fasse mich nicht als behindert auf. Ich habe kurze Arme, sicher, das ist im Alltag auch oft irre lästig, aber es bestimmt nicht mein Leben. Ich bin verheiratet, wir haben zwei Söhne, ich arbeite als Arzt, fahre Auto, Motorrad und Ski."

Jan Schulte-Hillen ist der Sohn des Rechtsanwalts Karl-Hermann Schulte-Hillen, der dafür gesorgt hat, dass die Fälle von contergangeschädigten Kindern in den 60er-Jahren bekannt wurden und dass es schließlich zum Prozess gegen die Firma Grünenthal kommen konnte. Über Schulte-Hillens Kampf ist eine Dokumentation gedreht worden. Er ist einer der prominentesten Gegner der Firma Grünenthal.

"Ich habe großes Glück gehabt", sagt Jan Schulte-Hillen im sonntaz-Gespräch, "verglichen mit den vielen Menschen, denen es wirklich dreckig geht, die keine Arme und Beine haben, die auf dem Boden leben, sich rollend fortbewegen müssen."
Den Contergan-Skandal betrachtet Schulte-Hillen distanziert und analytisch. "Ein Teil der Errungenschaften unserer westlichen Zivilisation besteht nun einmal darin, dass wir auch bei kleineren Beschwerden schnell zu einem Medikament greifen, um diesen Zustand abzuschalten", sagt er. "Das haben wir uns durch Forschen und Wirtschaften erarbeitet. Contergan war aus dieser Sicht ein Kollateralschaden." Man könne auch sagen: eine Lifestyle-Droge, ein Smashhit. "Wir gingen davon aus, dass wir in einem sicheren System lebten, und waren dann total erstaunt, als sich herausstellte, dass etwas total schädlich war."
Die Konsequenzen aus dem Skandal schätzt er sehr zurückhaltend ein: "Konsequenzen? Ach kommen Sie … Schon gut, im Arzneimittelbereich ist was passiert nach Contergan. Aber sonst?" Ehe Ikea ein Sofa auf den Markt bringe, lasse es einen Roboter sich 50.000-mal darauf hinsetzen.

"Und dann schauen Sie sich, ganz aktuell, den Markt der Medizinprodukte an, den Markt dieser ganzen Brust-, Knie-, Hüftprothesen also, Implantate, die im menschlichen Körper verbleiben. Die werden vergleichsweise lax getestet, und die wenigsten regen sich auf. Oder Nahrungsergänzungsmittel, die kommen praktisch ungeprüft auf den Markt. Ich finde das vogelwild.

quelle

Daniel

#4

Beitrag von Daniel » Montag 20. Februar 2012, 08:33

"Da war halt einer, der hatte kurze Arme"

CONTERGAN Jan Schulte-Hillen über den Kampf seines Vaters und das Medikament, das sein Leben nicht prägen soll

INTERVIEW HEIKE HAARHOFF FOTOS BERND HARTUNG

Das alte Krämerhaus von Schollbrunn, Unterfranken. Der Mann, der sich hier eingerichtet hat, hat das Gespräch nicht gesucht. Die Biografie von Steve Jobs, neben einem ledernen Herrensessel, liegt da wie eine Mahnung, dass es wichtigere Dinge gibt im Leben als das eigene körperliche Schicksal. Er hat im Haus weder einen Wasserkocher noch eine Kaffeemaschine. Das Besteck in der Küche ist originalverpackt.

Jan Schulte-Hillen: Also, ich kann Ihnen hier nicht wirklich was anbieten. Bevor ich morgens aus dem Haus in die Klinik gehe, esse ich einen Apfel. Abends geh ich ins Restaurant. In der Küche sind Bier und Apfelsaft.

sonntaz: Schon okay. Spartanisches Leben als Haltung, hm?

Das ist ein sehr bewusst gewähltes Provisorium. Man bleibt wach und hungrig dabei. Ich bin jetzt hier seit etwa einem Jahr. Wenn es mal hart auf hart kommen sollte, dann packe ich alles in meinen Kombi und bin weg. Ich bin ja nur unter der Woche hier, ich arbeite als Honorararzt in der Notaufnahme des Krankenhauses in Wertheim. Am Wochenende bin ich bei meiner Familie in München.

Honorararzt?

Honorararzt heißt, ich werde nur bezahlt, wenn und solange es Arbeit gibt, das aber dreimal so gut wie normal. Das ist der Preis für das Risiko, dass mein Job von einem auf den anderen Tag beendet sein kann, dass es keine soziale Absicherung gibt. Andererseits kann ich sicher sein, dass die Klinik mich will, weil sie mich und meine Arbeit braucht. Und nicht, weil sie glaubt, mich aufgrund irgendwelcher Verträge oder Verpflichtungen behalten zu müssen. Das taugt mir.

Weil es dem Klischee widerspricht, dass Arbeitgeber für Menschen wie Sie besondere soziale Verantwortung übernehmen sollten?

Menschen wie mich?

Contergangeschädigte. Behinderte. Menschen, die …

Vorsicht! Ich fasse mich nicht als behindert auf. Ich habe kurze Arme, sicher, das ist im Alltag auch oft irre lästig, aber es bestimmt nicht mein Leben. Ich bin verheiratet, wir haben zwei Söhne, ich arbeite als Arzt, fahre Auto, Motorrad und Ski. Ich habe großes Glück gehabt, verglichen mit den vielen Menschen, denen es wirklich dreckig geht, die keine Arme und Beine haben, die auf dem Boden leben, sich rollend fortbewegen müssen.

Contergan, das sind die anderen?

Nehmen Sie diejenigen, die sich erst durchbeißen mussten, um überhaupt eine Arbeitsstelle zu bekommen, diese dann aber körperlich eines Tages wegen der gesundheitlichen Folgeschäden nicht mehr ausfüllen konnten: Daraufhin verloren sie ihren Job. Und mit ihm nicht nur ihren Rentenanspruch, sondern den Rest eines selbstbestimmten Lebens. Manche haben heute so wenig Geld, dass es nicht einmal reicht, um jemanden zu bezahlen, der ihnen dreimal am Tag den Hintern abwischt. Insofern weiß ich nicht, ob es nicht das Bild verzerrt, wenn Sie mich hier interviewen.

Unterscheidet sich Ihr Schicksal auch deswegen von dem vieler anderer, weil Sie ein prominenter Geschädigter sind? Ihr Vater, der Rechtsanwalt Karl-Hermann Schulte-Hillen, war die treibende Kraft bei der Aufklärung des größten bundesdeutschen Medikamentenskandals. Seine und Ihre Geschichte wurden vor einigen Jahren in dem Fernsehfilm "Eine einzige Tablette" verfilmt.

Es hat mich nie besonders interessiert, ob da ein Film gedreht wird oder nicht, solange ich nicht mitspielen muss. Ich habe den Film auch nie gesehen. Und wenn mich Leute angesprochen und gesagt haben, das ist doch eure Geschichte, dann habe ich gesagt: Ja, das ist so.

Sie klingen unglaublich distanziert. Welche Rolle spielen Contergan und die Pharmafirma Grünenthal in Ihrem Leben?

Als ehrenamtlicher Gutachter der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung bin ich häufig mit diesem Leid konfrontiert. Wir überprüfen anhand fachärztlicher Befunde, ob Schäden, die erst spät auftreten oder die Menschen jahrzehntelang für genetisch bedingt hielten, mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit auf Contergan zurückzuführen sind. Das ist extrem wichtig zu wissen, weil davon die Entschädigung abhängt.

Die Frage richtete sich eher an Sie persönlich.

Contergan ist ein Teil meines Lebens, den ich ein bisschen ausgeblendet habe. Im Innenverhältnis unserer Familie hat Contergan nie eine große Rolle gespielt. Wir waren drei Kinder, und da war halt einer, der hatte kurze Arme, das war dann ich. Ansonsten hatte ich eine ganz normale Kindheit, Prügeleien und Fahrradunfälle inklusive.

Herr Schulte-Hillen, wie geht so was? Ihr Vater war der Vertreter der Nebenkläger im Contergan-Prozess, er hat das Leid vieler Familien auch sehr persönlich geteilt. Und da sagen Sie, bei Ihnen zu Hause wurde wenig über Contergan gesprochen?

Contergan, das war der große Kampf meines Vaters. Er hat ihn gefochten für die Gemeinschaft der Contergangeschädigten. Und natürlich auch für mich, seinen ältesten Sohn, und meine Cousine, die ein paar Monate älter als ich ist und auch contergangeschädigt. Aber intern bei uns zu Hause war das nicht von Bedeutung. Oder nur insofern, als der Vater ständig nicht da war. Das war das Problem.

Waren Sie wütend auf ihn?

Hey, ich war sechs oder sieben! Die Unterschiede sind mir aufgefallen, wenn wir mal anderswo zu Besuch waren. Da gab es dann einen Fernseher oder ein tolles Sofa, und ich hab mich gefragt: Wieso haben die das und wir nicht? Ich bin zwischen Apfelsinenkisten und Möbeln vom Sperrmüll groß geworden. Mein Vater hat sich ja mehrere Jahre ausschließlich um den Prozess gekümmert. Ich weiß noch, dass meine Eltern einen heiligen Zorn hatten, sie waren pleite, und dann wendeten sich auch noch unsere Familien ab von uns. Sie waren der Auffassung, der Karl-Hermann verrennt sich total.

Darüber haben die Eltern mit Ihnen gesprochen?

Kindgerecht, ja. Sie haben uns gesagt, der Vater verdient kein Geld, weil er die große Ungerechtigkeit für die anderen mit den kurzen Armen beseitigen will. Wir waren dann unverschämt stolz auf ihn.

Wissen Sie heute, was ihn angetrieben hat?

Er wollte recht bekommen. Mein Vater hat ein Gerechtigkeitsgefühl, das weit über das Maß hinausreicht, das ein Jurist haben muss. Für ihn war von Anfang an klar, dass es da einen externen Schädigungsfaktor geben muss. Den hat er gesucht. Zusammen mit Widukind Lenz, dem Kinderarzt aus Hamburg, ist er monatelang über die Dörfer gefahren auf der Suche nach den anderen Kindern. Und wenn die Bauern ihm sagten, da wissen wir nichts drüber, dann zog er mein Bild aus der Tasche und sagte: "Sie müssen sich nicht schämen. Ich hab so ein Kind. Haben Sie auch so ein Kind? Das kommt von irgendwas!" Und dann wurden diese Kinder ausgepackt …

… die bis dahin irgendwo versteckt gehalten worden waren!

Sie müssen sich überlegen, wie der Zeitgeist damals war: Wir hatten als Deutsche gerade relativ erfolgreich den grauenhaften Zweiten Weltkrieg mental hinter uns gebracht. Jetzt ging es bergauf. Wir konnten uns die fette Butter wieder leisten, nichts konnte uns stoppen. Ein behindertes Kind passte nicht in das Gedankengut dieser Jahre zwischen 1960 und 1970.

Haben Sie Ihren Eltern mal gedankt, dass sie so sehr für Sie gekämpft haben?

Expressis verbis nicht. Ich hätte mich übrigens aber auch nicht verstecken lassen. Ich musste immer alles probieren, ich war der Erste, der ein Skateboard hatte, zum Leidwesen meiner Eltern. Eins steht da noch um die Ecke.

Sie wollten beweisen, dass die Jungs mit den langen Armen auch nicht besser sind?

Quatsch. Fragen Sie mal einen Bergsteiger, warum er auf den Berg steigt: Weil er da ist. So war das mit dem Skateboard auch. Vielleicht bin ich da auch geprägt durch meinen Vater. Vieles von seinem Sich-nicht-abfinden-Können, wenn einer sagt, das ist einfach so, das habe ich sicher in mir.

Sind Sie aus diesem Grund Arzt geworden? Weil Sie rauswollten aus der Rolle, die die Gesellschaft für Menschen mit Ihrem Schicksal gemeinhin vorsieht? Vom Opfer zum Helfer?

Natürlich hat man als Arzt den Helfergedanken, und dieses Gefühl trägt auch mich. Aber was mich damals bei der Berufswahl motiviert hat, war das große wissenschaftliche Interesse daran, wie der menschliche Körper funktioniert. Und um Ihrer nächsten Frage zuvorzukommen: Ich glaube nicht, dass ich zurückhaltender bin bei der Verordnung von Medikamenten als meine Kollegen. Patienten haben ein Recht darauf, beschwerdefrei zu sein.

Es gibt da keine Grenzen?

Sicherlich hellhöriger bin ich bei der Verordnung starker Medikamente an junge Frauen. Das Problem ist ja, dass die fruchtschädigende Wirkung von Medikamenten zu einem sehr frühen Zeitpunkt einsetzt, zu dem die Frauen meistens noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind.

In solchen Fällen raten Sie zum Verzicht?

Selbstverständlich. Es ist nur so: Ein Teil der Errungenschaften unserer westlichen Zivilisation besteht nun einmal darin, dass wir auch bei kleineren Beschwerden schnell zu einem Medikament greifen, um diesen Zustand abzuschalten. Das haben wir uns durch Forschen und Wirtschaften erarbeitet. Contergan war aus dieser Sicht ein Kollateralschaden.

Wie bitte?

Sie haben richtig gehört: Kollateralschaden. Genauso böse muss man das formulieren. Contergan, das war eine Lifestyle-Droge, ein Smashhit. Wir gingen davon aus, dass wir in einem sicheren System lebten, und waren dann total erstaunt, als sich herausstellte, dass etwas total schädlich war.

Eine Erkenntnis, die immerhin Konsequenzen nach sich gezogen hat, bis heute.

Konsequenzen? Ach kommen Sie … Schon gut, im Arzneimittelbereich ist was passiert nach Contergan. Aber sonst? Gucken Sie sich an, was heute passiert: Ehe Ikea ein Sofa auf den Markt bringt, lässt es einen Roboter sich 50.000-mal darauf hinsetzen. Eine unglaublich aufwendige Belastungsprobe. Für ein Sofa. Bravo! Und dann schauen Sie sich, ganz aktuell, den Markt der Medizinprodukte an, den Markt dieser ganzen Brust-, Knie-, Hüftprothesen also, Implantate, die im menschlichen Körper verbleiben. Die werden vergleichsweise lax getestet, und die wenigsten regen sich auf. Oder Nahrungsergänzungsmittel, die kommen praktisch ungeprüft auf den Markt. Ich finde das vogelwild.

Woran liegt das?

Menschen sind Menschen. Mit Gefahren für den eigenen Körper befassen sie sich oft erst, wenn es zu spät ist. Die Industrie nutzt das natürlich schamlos aus - so lange jedenfalls, bis jemand aufsteht und sich wehrt. Von allein passiert gar nichts, leider.

Können Sie nachvollziehen, dass sich viele Geschädigte ein halbes Jahrhundert nach Contergan immer noch wehren? Dass sie es als großes Unrecht empfinden, dass sie bis heute keine Entschädigung nach zivilrechtlichen Maßstäben von der Firma Grünenthal bekommen haben?

Klar kann ich das nachvollziehen. Es ist nur so: Recht ist stetigem ethischem Wandel unterworfen. Aus damaliger Sicht hat sich die Firma Grünenthal nicht unrecht verhalten: Es war damals nicht vorgeschrieben, dass bestimmte Versuche gemacht werden, bevor ein Arzneimittel auf den Markt gelangt.

Entbindet dieser Umstand die Firma von der Pflicht, sich ihrer Verantwortung zu stellen?

Mit dem Wissen von heute hätte ich mir eine andere Lösung gewünscht als den völlig unzureichenden Vergleich über 100 Millionen Mark für die Geschädigten, der damals unter Druck und vor dem Hintergrund geschlossen wurde, dass kein Mensch ernsthaft dachte, wir Contergankinder würden älter als 15 Jahre. Diese andere Lösung hätte darin bestanden, die Firma - die ja ein Familienunternehmen ist - komplett in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Alle Geschädigten wären sodann Shareholder geworden. Das wäre die einzige Möglichkeit für die Firma gewesen, einen guten Umgang mit den Geschädigten zu finden. Denn als Shareholder wären sie natürlich am Wohlergehen dieser Firma interessiert gewesen. Dann hätte es keine Boykottaufrufe gegeben, sondern man hätte gemeinsam nach Lösungen gesucht. Sicherlich stünden die Geschädigten finanziell auch besser da.

Das ist eine radikale Idee, hilft den Menschen heute aber praktisch nicht weiter.

Selbstverständlich verlange ich, dass die Contergangeschädigten um Klassen besser entschädigt werden als bislang. Es muss ein Tool geben, damit diese Menschen genauso entschädigt werden wie Impfgeschädigte. Contergan ist schließlich etwas anderes als das genetische Roulette, bei dem jeder von uns den Kürzeren ziehen kann und dann eben Pech gehabt hat für den Rest seines Lebens. Contergan hat einen Verursacher.

Wer kann überhaupt festlegen, was eine angemessene Entschädigung ist?

Wir leben in einer Welt, in der die persönliche Freiheit eines der allerhöchsten Güter ist. Zur persönlichen Freiheit gehört die Freizügigkeit, sich frei bewegen zu können. Das ist vielen Contergangeschädigten genommen worden und ist nicht wiedergutzumachen. Aber man könnte sagen, wir geben diesen Menschen so viel Geld, dass es für sie keine Rolle spielt, wenn sie etwa 40.000 Euro zusätzlich zu ihrem Auto zahlen müssen, um es sich umzubauen. Und dieses Geld darf dann eben nicht in eine Stiftung eingezahlt werden, aus der die Geschädigten wie unmündige Bittsteller portionsweise Geld bekommen. Die Leute brauchen jetzt viel Geld, um ihre Zukunft gestalten zu können. Ich fürchte nur, dass es unrealistisch ist, darauf zu setzen, dass die Firma Grünenthal dieses Geld zahlen wird.

Was macht Sie so pessimistisch?

Ich bemerke bei der Grünenthal eine Art entsetzter und ängstlicher Lähmung. Das Unternehmen hat die Chance verpasst, die Dinge mit Distanz zu sehen.

Inwiefern?

Sonst hätte es erkannt, dass Contergan kein deutsches oder europäisches, sondern ein weltweites Problem ist. Und es hätte erkannt, dass Katastrophen dieser Art der Preis sind für den Lebensstandard, den wir uns in Westeuropa leisten. Einige wenige zahlen einen irre hohen Preis für den Wohlstand aller. Und ich hätte es toll gefunden, wenn Grünenthal gesagt hätte, aufgrund unserer historischen Rolle müssen wir diejenigen sein, die jetzt eine Art Rettungsfonds gründen, der dafür Sorge trägt, dass so etwas nie wieder vorkommt.

Solange sich diese Einsicht nicht durchsetzt, übernimmt der Staat die finanzielle Verantwortung für ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Ist das gerecht?

Ich finde es völlig in Ordnung, wenn der Staat dafür aufkommt.

Tatsächlich?

Der Staat hat an dem Medikament horrende Summen an Steuern verdient. Alle Leute, die heute gesunde Kinder vor der Tür rumlaufen haben, verdanken das dem Opfer, das die Contergangeschädigten ungewollt erbracht haben - die Contergangeschädigten sind der Grund, weshalb es in Deutschland heute überhaupt ein ernst zu nehmendes Arzneimittelrecht gibt. Und da stellt sich die Frage, ob es nicht dem Staat und den Gesundheitsministerien oblegen hätte, frühzeitiger dafür Sorge zu tragen, dass die Medikamente der Pharmafirmen, deren Steuern der Staat wohlwollend nickend einsteckt, dank strengster Kontrollen keinen größeren Schaden anrichten können.

Der Staat trägt eine Mitschuld?

Schuld setzt voraus, dass man gegen irgendwelche Gesetze verstoßen hat. Das ist nicht der Fall. Wir sprechen hier von Ethik.

Also schön. Müssen nach Ihrem ethischen Empfinden die Eigentümer und Erben der Firma Grünenthal sich bei den Opfern entschuldigen?

Die Verantwortungsträger von damals leben nicht mehr. Die Erben sind eine andere Generation. Allein deswegen können sie sich nicht bei mir entschuldigen: Sie sind nicht meine Ansprechpartner. Sich zu entschuldigen bedeutet auch immer, dass man Schuld auf sich geladen hat und diese Schuld nicht mehr tragen möchte. Die heutigen Eigentümer haben aber keine Schuld auf sich geladen.

Das werden die Grünenthal-Erben gern hören. Wie gehen Sie mit dem Vorwurf mancher Opfervertreter um, Sie und Ihre Familie hätten mittlerweile die Seite gewechselt?

Ich gehe überhaupt nicht damit um. Die Vorstellung ist grotesk. Aber meine Eltern und ich verabscheuen eine Welt in Schwarz-Weiß. Bei der Grünenthal gibt es zweifellos helle Köpfe. Genauso, wie nicht alle Geschädigten Gutmenschen sind.

In England hat sich der Staat dafür entschuldigt, dass unter seiner Ägide dieses Medikament auf den Markt gekommen war. Wäre das in Deutschland auch angebracht?

Von staatlicher Seite wird da gar nichts passieren, weil die deutsche Politik eine des Aussitzens ist.

Aber erwarten würden Sie es?

Erwarten? Ich verlange, dass der Staat diesen Menschen mindestens einen Opferstatus zugesteht, dass er klarmacht: Den Wohlstand und die medizinische Unbedenklichkeit, in denen wir heute leben, verdanken wir den Geschädigten.

Heike Haarhoff, 42, taz-Redakteurin, kann weder Motorrad noch Ski noch Skateboard fahren

Bernd Hartung, 44, freier Fotograf in Frankfurt, war von Schulte-Hillens Askese verhalten fasziniert

"Contergan war ein Kollateralschaden. Sie haben richtig gehört: Kollateralschaden. Eine Lifestyle-Droge"



Jan Schulte-Hillen und die Entschädigung der Opfer

Die Person: Jan Schulte-Hillen wurde 1961 geboren und ist Facharzt für Allgemeinmedizin, verheiratet und hat zwei Söhne. Er ist das älteste von drei Kindern von Linde und Karl-Hermann Schulte-Hillen. Seine Mutter hatte während der Schwangerschaft ihren Vater verloren und litt unter Schlaflosigkeit. Contergan nahm sie ein einziges Mal.

Der Vater: Den Ermittlungen des Rechtsanwalts Karl-Hermann Schulte-Hillen und des Hamburger Kinderarztes Widukind Lenz ist es maßgeblich zu verdanken, dass 1967 Anklage erhoben wurde gegen mehrere Verantwortliche des Contergan-Herstellers Grünenthal. Der Prozess endete im Dezember 1970 mit einem viel kritisierten Vergleich.

Der Vergleich: Danach verpflichtete sich Grünenthal, einmalig 100 Millionen Mark zur Entschädigung der Contergan-Opfer zu zahlen. 1972 dann wurde die Conterganstiftung für behinderte Menschen gegründet, in die Grünenthal 114 Millionen Euro einzahlte. Auch der Bund beteiligte sich. 2009 hat Grünenthal weitere 50 Millionen Euro in die Stiftung eingezahlt. Der Grünenthal-Erbe Michael Wirtz finanziert darüber hinaus in Aachen einen Lehrstuhl für Palliativmedizin. Seit Juli 2011 können sich Contergangeschädigte in finanzieller Not als sogenannte Härtefälle an Grünenthal wenden. Trotzdem reicht das Geld hinten und vorn nicht. Die Opferrenten - zwischen 250 und 1.127 Euro monatlich - werden aus Steuern finanziert.



Contergan

Das Medikament: Von 1957 an wurde das Schlafmittel der Pharmafirma Grünenthal werdenden Müttern rezeptfrei für 3,90 Mark pro 30er-Packung verkauft.

Der Wirkstoff: Thalidomid führte bei tausenden Neugeborenen zu Missbildungen der Organe und Extremitäten. 1961 zog die Firma das Medikament zurück. Derzeit leben in Deutschland etwa 2.400 Conterganopfer. Contergan steht für den größten Medizinskandal der Nachkriegsgeschichte.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.

Daniel

#5

Beitrag von Daniel » Donnerstag 23. Februar 2012, 08:00

Als verurteilter Kriegsverbrecher und SS-Arzt nach der Haft zu Grünenthal
Auschwitz und die Conterganhersteller
Von Stephan Nuding

Seit Februar 2009 erhärtet sich der Verdacht, dass Thalidomid - der Wirkstoff von Contergan - bereits während des 3. Reiches entwickelt wurde. Im Rahmen ihrer Recherchen stießen Mitstreiter des Untersuchungsausschusses Conterganverbrechen (U.A.C.) auf zwei Photographien, die den ehemaligen SS-Arzt, NS-Kriegsverbrecher und "wissenschaftlichen Mitarbeiter" der Conterganfirma Grünenthal aus Stolberg im Rheinland, Dr. med. Heinz Baumkötter, während des 2. Weltkrieges im Vernichtungslager Auschwitz zeigen.
Dr. med. Heinz Baumkötter, geboren am 07.02.1902, gestorben am 21.04.2001, war bis zum Ende der Nazi-Zeit SS-Hauptsturmführer und übte vom Januar 1943 bis April 1945 eine Tätigkeit als 1. Lagerarzt im Konzentrationslager Sachsenhausen aus. Dort hat er, wie Gerichtsverfahren ab 1947 bewiesen, zahlreiche Verbrechen (insbesondere pseudowissenschaftliche Menschenversuche mit Todesfolge), Selektionen, Teilnahme an Erschießungen und / oder Vergasungen von Fremdarbeitern und KZ – Häftlingen begangen.

Am 01.11.1947 wurde Baumkötter im Sachsenhausen-Prozess durch ein sowjetisches Kriegstribunal wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu lebenslänglicher Haft und Zwangsarbeit verurteilt. Seit Dezember 1947 bis Sommer 1955 war er im Straflager Workuta (UDSSR) inhaftiert. Am 14.01.1956 wurde er an die Behörden der Bundesrepublik Deutschland als "Nichtamnestierter" übergeben.

1962 kam es zu einer Anklage vor dem Langericht Münster (Verfahren Lfd. Nr. 529) wegen der Beteiligung an der Hinrichtung von ca. 125 Häftlingen und der Selektion von mindestens 110 Menschen, die in der Gaskammer ermordet werden sollten. "Baumkötter wird wegen Verbrechens der Beihilfe zum Mord in zwei Fällen und einer weiteren Beihilfe zu 14 in Tateinheit stehenden Verbrechen durch das Schwurgericht beim Landgericht Münster zu einer
Gesamtstrafe von acht Jahren Zuchthaus verurteilt", hieß es in dem Urteil. Doch diese Strafe galt durch die Haftstrafe in der UDSSR als "verbüßt".

Aufgrund von umfangreichen Recherchen stellte der U.A.C. fest: Seit Februar 2009 erhärtet sich der Verdacht, dass Thalidomid - der Wirkstoff von Contergan - bereits während des 3. Reiches entwickelt wurde. Trotzdem beharrt die Fa. Grünenthal immer noch darauf, dass es erst Anfang der 1950er Jahre in ihrem Forschungslabor entstanden sei. Der Zugang zum Firmenarchiv wird dem U.A.C. aber verweigert. Auch die Bundesregierung ignoriert alle Hinweise in dieser Richtung. Dass Baumkötter sich in Auschwitz aufgehalten hat, ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Ursprünge von Thalidomid / Contergan in den Vernichtungslagern der NS-Diktatur zu suchen sind.

Zur Erinnerung:
- Auch die Nachforschungen englischer Thalidomidopfer weisen in diese Richtung.
- Dr. Heinrich Mückter, der angebliche "Contergan-Erfinder" der Firma Grünenthal, war seit 1942 stellvertretender Direktor des "Institut für Fleckfieber- und Virusforschung des Oberkommandos des Heeres" in Krakau. Krakau liegt nur ca. 50 km von Auschwitz entfernt.
Gewiss, bisher sind dies nur Indizien. Diese verdichten sich aber zusehends zu einem Gesamtbild.

Im historischen Gesamtkontext des Conterganverbrechens kann es meiner Meinung nach kein Zufall sein, dass Grünenthal nach 1945 Arbeitgeber zahlreicher mutmaßlicher und verurteilter NS-Täter war. Auch wenn es vielleicht noch einige Jahre dauern sollte: Wir werden das Conterganverbrechen vollständig aufklären. Das sind wir nicht zuletzt den tausenden von Toten schuldig, die an den thalidomidhaltigen Präparaten der Firma Grünenthal gestorben sind, was das unverantwortliche Unternehmensmanagement und die Ignoranz der Eigentümerfamilie Wirtz verschuldet haben. Es ist eine Schande, dass die Familie Wirtz sich immer noch weigert, uns Zugang zu ihrem Unternehmensarchiv zu gestatten. (PK)

Siehe auch:
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15213
Conterganhersteller Grünenthal droht ein neuer Prozess seitens der Opfer
Akten vernichtet
Von Peter Kleinert
und
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16759
Kampagne des Untersuchungsausschusses Conterganverbrechen gestartet
Grünenthal-Familie Wirtz am Pranger
Von Stephan Nuding


Stephan Nuding ist Sprecher des Untersuchungsausschusses Conterganverbrechen (U.A.C.)
Kontakt:
Untersuchungsausschuss Conterganverbrechen (U.A.C.)
c./o. Stephan Nuding
Postfach 800 160
51448 Bergisch Gladbach
Tel.: 02202/1882677
Mail: uac@gmx.net

quelle

Daniel

#6

Beitrag von Daniel » Donnerstag 23. Februar 2012, 08:02

Wie hoch ist das Rückfall-Risiko?

Darmstadt/Dreieich - Fast ein Jahr ist es her, dass ein schwer Contergan geschädigter Mann aus Offenthal wegen Besitzes und Verbreitung von kinderpornografischen Schriften in 22 Fällen vor Gericht stand. Seit gestern wird das Verfahren in Darmstadt neu aufgerollt. Von Silke Gelhausen-Schüßler

Der psychiatrische Sachverständige Dr. Dieter Jöckel aus Haina schätzte das Risiko, dass der Angeklagte nach der Verbüßung einer vierjährigen Haftstrafe erneut seine pädophilen Neigungen befriedigt, als hoch ein. So hoch, dass Richter Jens Aßling am Landgericht Darmstadt im ersten Prozess die Sicherungsverwahrung anordnete. Verteidiger Jörg Dietrich kündigte damals prompt Revision an.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2011, die Sicherungsverwahrung komplett neu zu regeln, erleichterte diesen Einspruch erheblich. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil gegen den Offenthaler mit der Begründung einer nicht ausreichenden Gefährlichkeitsprognose auf. Er verwies die Strafsache an eine andere Darmstädter Kammer zurück. Gestern eröffnete Dr. Christoph Trapp die neue Verhandlung gegen den 49-Jährigen.
400.000 Bilder, 5 000 Filme und 38.000 Textdateien

Auf zehn Festplatten speicherte der Angeklagte seit Anfang 2006 mindestens 400.000 Bilder, 5 000 Filme und 38.000 Textdateien, teilweise mit Darstellungen vom Geschlechtsverkehr erwachsener Männer mit Kleinkindern. Darüber hinaus traf er keinerlei Vorkehrungen, sich in der „realen“ Welt von Kindern fernzuhalten, wie ihm in mehreren Therapien empfohlen wurde.

So sprach er auch während einer laufenden Verhandlung Minderjährige an und lud neue Dateien aus dem Internet. Nicht ohne Grund ist er bei der Zentralstelle zur Überwachung rückfallgefährdeter Straftäter beim LKA registriert: Die Verurteilung in Darmstadt war bereits die fünfte ihrer Art seit 1979.

Bevor ihm das World Wide Web das Ausleben der Neigung erleichterte, verging er sich an mindestens einem Dutzend Jungen und Mädchen zwischen sechs und 14 Jahren, wurde zu mehreren Jahren Haft und Geldstrafen verurteilt. Allem Anschein nach erfolglos: Auch während der Ermittlungen wegen Kinderpornografie wurden wieder Spielsachen, Kinderbücher und andere altersgerechte Gegenstände in seiner Wohnung und in seinem Auto gefunden. Einen neuerlichen Missbrauch konnte ihm Staatsanwältin Katia Schick allerdings nicht nachweisen. Für den Verteidiger ein sicheres Zeichen, dass er „nur noch zusieht“.
Drehen von Kinderpornos

Dass den Opfern auch beim Drehen von Kinderpornos schwerste Schäden zugefügt werden, dafür fehlt dem Angeklagten offensichtlich das Bewusstsein – ebenso wie ein Schuldgefühl. „Er hat die innere Überzeugung, dass einvernehmliche Handlungen für die Kinder nicht so schlimm sind. Er zwingt sie ja zu nichts“, so Dr. Jöckel. Eindringlich beschreibt der Sachverständige die Auswirkungen des nicht beherzigten Kontaktverbots zu Kindern: „Es ist so, als würde man einen trockenen Alkoholiker zum Barmixer machen.“

Für den Gutachter ist das mittelgradig erhöhte Rückfallrisiko absolut ausreichend, um die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach Paragraf 66 zu rechtfertigen.

Am Mittwoch, 29. Februar, wird auf Antrag des Verteidigers noch einmal der Therapeut des Offenthalers angehört. Voraussichtlich wird an diesem Tag auch das Urteil verlesen.

Artikel lizenziert durch © op-online
Weitere Lizenzierungen exklusiv über http://www.op-online.de
quelle

Daniel

#7

Beitrag von Daniel » Donnerstag 23. Februar 2012, 14:49

Aus aktuellem Anlass,hier nochmals der Hinweis!!!
Daniel hat geschrieben:Hier könnt Ihr Presseberichte,
alles rund um Contergan vom Februar 2012 finden.
.

Kommentare könnt Ihr hier (klick)einstellen.

Kommentare sind nicht öffentlich!

Gesperrt