Bundestagsreden vom 25.10.2012

hier hat Henning das alleinige Schreibrecht..und ist auch Moderator mit Vollen rechten in dieser Rubrik
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Daniel

Bundestagsreden vom 25.10.2012

#1

Beitrag von Daniel » Samstag 27. Oktober 2012, 06:41

Bundestagsrede von Markus Kurth | 25.10.2012
Contergan

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Die Firma Grünenthal produzierte und vertrieb Ende der 50er-Jahre insgesamt 22 thalidomidhaltige Medikamente, darunter das als ungiftig beworbene Contergan. Innerhalb weniger Jahre machten diese Medikamente insgesamt 50 Prozent des Gesamtumsatzes des Unternehmens aus. Obwohl es bereits in dieser Zeit eine politische und fachliche Diskussion über schädigende Auswirkungen von Medikamenten bei Einnahme während der Schwangerschaft gab, hatte der Staat zu Beginn der Debatte um mögliche schädliche Auswirkungen von Contergan in diesem Zusammenhang keine Interven-tionsbefugnis. Erst durch öffentlichen Druck konnte Grünenthal dazu gezwungen werden, das Medikament vom Markt zu nehmen.

Der Conterganskandal hat unsere Gesellschaft verändert. Er hatte, wenn auch zeitlich verzögert, erst in den 70er-Jahren Konsequenzen für das Arzneimittelrecht. Die Vorgaben zur Arzneimittelsicherheit wurden verbessert.

Während Grünenthal erhebliche Gewinne machte, wurde und wird den Geschädigten in mehrfacher Hinsicht Unrecht getan: Zeit ihres Lebens wurden sie von medizinischer Forschung objektiviert, sie wurden als „Missgeburten“ bezeichnet und wahrgenommen. Für den Verlust an Lebensqualität, den sie erleben, sind sie bis heute nicht angemessen entschädigt worden. Sie müssen bis heute mit Krankenkassen um die Finanzierung ihrer Heil- und Hilfsmittel kämpfen. Mit zuneh-menden Alter nehmen auch ihre Schmerzen zu, während gleichzeitig soziale Unterstützungsnetzwerke, etwa durch den Tod der Eltern, wegbrechen.

Als wir hier das letzte Mal über die Situation Contergangeschädigter gesprochen haben, war uns klar, dass die Zahlungen, die sie zur Deckung ihrer Bedarfe erhalten, nicht ausreichend sind. Im Wissen um die unangemessene Versorgungssituation der Betroffenen wurden damals unter anderem die sogenannten Contergan-renten verdoppelt. Die Forderung der Grünen-Fraktion, im Rahmen einer Studie die Bedarfe genau zu ermitteln, damit auf dieser Grundlage über weitere Verbesserungen entschieden werden kann, wurde von der damaligen Bundesregierung aufgegriffen und eine Studie an der Universität Heidelberg in Auftrag gegeben.

Die Ergebnisse, die uns aus dieser Studie vorliegen, sind zwar erst vorläufig, dafür aber um so deutlicher: Ungedeckte Bedarfe belasten Contergangeschädigte in einem Ausmaß, das fast nicht vorstellbar ist, wenn man nicht täglich damit lebt. Fast 85 Prozent der Befragten leiden an Schmerzen, ihre Bedarfe an Medikamenten, Hilfsmitteln, rehabilitativen Maßnahmen und physika-lischer Therapie sind in großen Teilen nicht gedeckt. Nur wenige sind finanziell in der Lage, sie in Eigenleistung zu finanzieren. Der Bedarf an Assistenz im Alltag wird zunehmen, er ist bereits jetzt nicht ausreichend gedeckt. Ein bemerkenswerter Teil der Geschädigten kann aufgrund der Schädigung und mangelnder Versorgung nicht mehr arbeiten, entsprechend bestehen Verdienstausfälle.

Für uns kann das nur eins bedeuten: Wir müssen handeln, und zwar jetzt! Die Betroffenen werden immer älter, ihre Schmerzen nehmen zu. Ihre Bedarfe werden steigen. Deswegen müssen wir jetzt den Schadensausgleich verbessern und regelmäßig überprüfen.

Es wurde bereits diskutiert, inwiefern die Versorgung der Contergangeschädigten über das System der Sozialversicherungen geleistet werden kann. Ich habe schon von den Kämpfen gesprochen, die sich die Geschädigten mit den Krankenkassen immer wieder liefern müssen. Die Kassen weigern sich hartnäckig, Kosten für nötige Heil- und Hilfsmittel zu übernehmen. Zahnimplantate werden nicht gezahlt, selbst wenn Geschädigte sich aufgrund verkürzter Arme Prothesen nicht selbstständig einsetzen können. Das ist nicht das einzige Beispiel, es gibt zahlreiche. Auch die explizite Aufforderung des Ministeriums an die Krankenversicherungen, im Falle Contergangeschädigter unbürokratisch zu agieren, konnte daran nichts ändern. Auch wenn nachvollziehbar ist, dass die Kassen Leistungen zum Ausgleich der Folgen einer Schädigung nicht aus Versicherungsbeiträgen finanzieren möchten, hätte ich mir angesichts der Situation Contergangeschädigter eine konstruktivere Zusammenarbeit und weniger Rücksichtslosigkeit gewünscht. Für uns ist die Konsequenz aus diesen Erfahrungen allerdings eindeutig: Wir müssen die Finanzierung anders absichern als über die gesetzliche Krankenversicherung. Die Frage, wie man grundsätzlich damit umgeht, dass Krankenkassen scheinbar unbeeindruckt von politischen Entscheidungen ihre eigenen Ziele verfolgen, ist eine, die wir dringend angehen müssen, aber nicht im Rahmen der Entschädigung von Conterganopfern regeln können.

Ich habe es schon gesagt: Wir müssen schnell handeln. Aus meiner Sicht ist es bereits jetzt möglich, auf der Grundlage der Ergebnisse der Heidelberger Studie die Conterganrenten zu erhöhen. Selbst wenn bisher keine detaillierten Zahlen vorliegen: Sollte bei der Berechnung eine Unschärfe zugunsten der Betroffenen entstehen, so ist das vor dem Hintergrund der vergangenen Jahre ohne Frage hinnehmbar.

Die Bundesrepublik Deutschland steht in der Haftungsnachfolge der Firma Grünenthal. Die Finanzierung von notwendiger Assistenz und von Hilfen im Alltag, von Pflege, von rehabilitativen und therapeutischen Maßnahmen, von Umbaumaßnahmen zur Steigerung der Barrierefreiheit im Wohnbereich und die Finanzierung eines Kraftfahrzeugs über die „Rente“ ist systematisch gerechtfertigt. Das sollte uns nicht davon abhalten, weiterhin auf Grünenthal einzuwirken, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Dass die Firma moralisch in der Pflicht steht, ist wohl schwerlich zu widerlegen.

Natürlich ist eine Nachbefragung durch die Universität Heidelberg zur Ermittlung der tatsächlichen Verluste, die den Betroffenen durch die Conterganschädigung entstanden sind, weiterhin geboten. Ich halte es weiterhin für nötig, auch nach der jetzt durchzuführenden Erhöhung der Renten weiter darüber zu sprechen, in welcher Höhe den Geschädigten eine finanzielle Kompensation für den Verlust an Lebensqualität geleistet werden kann. Wie hoch eine solche zusätzliche Zahlung ausfallen sollte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Ich bin der Überzeugung, dass wir darüber mit Blick auf die Entschädigungszahlungen, die Opfer von Medikamentenskandalen heute bekommen, weiter diskutieren müssen.

Abschließend möchte ich mich bei allen Betroffenen bedanken, die uns noch immer konstruktiv darin unterstützen, die Situation zu verbessern. Ich kann Ihren Ärger darüber, wie lange nichts oder zu wenig getan wurde, verstehen: Er ist gerechtfertigt – genau wie das Ende der Geduld. Es ist nun Aufgabe dieses Parlaments, zügig einen Beschluss zu fassen, der Ihnen ein Leben in Würde ermöglicht.

Markus Kurth

http://www.gruene-bundestag.de/parlamen ... 85982.html




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Daniel

#2

Beitrag von Daniel » Samstag 27. Oktober 2012, 06:42

25.10.2012 – Ilja Seifert
"Täterschutz statt Opferunterstützung"

Rede (zu Protokoll) des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert im Bundestag am 25. Oktober 2012 zur 1. Lesung (TOP 23)


Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Lebenssituation der durch Contergan geschädigten Menschen mit einem 3. Conterganstiftungsänderungsgesetz und weiteren Maßnahmen spürbar verbessern“, Drucksache 17/11041

Täterschutz statt Opferunterstützung – das ist die Bilanz von 55 Jahre Conterganskandal und 40 Jahre Conterganstiftung. Schuldig ist nicht nur die Firma Grünenthal und deren Besitzer, die Familie Wirtz, sondern auch die Politik und die bundesdeutsche Justiz.
Ein schwerwiegender Vorwurf? Ich meine ja und möchte ihn – auch im Namen vieler contergangeschädigter Menschen und ihrer Angehörigen – hier bekräftigen.

Was hat die Herstellerin des Schlafmittels Contergan, die Firma Grünenthal GmbH und deren Eigentümer, die Milliardärsfamilie Wirtz, nach dem Conterganskandal, welcher zehntausende Opfer im In- und Ausland forderte, getan?

Sie hat - mit Hilfe von Politik und Justiz - mit Druck auf die Eltern der contergangeschädigten Kinder alles getan, um einer gerechten Verurteilung zu entgehen. Das Ergebnis: Vor 40 Jahren, am 31. Oktober 1972, nahm die Conterganstiftung – sie hieß bis 19. Oktober 2005 Stiftung Hilfswerk für behinderte Kinder - ihre Tätigkeit auf. Nachdem die Firma Grünenthal 100 Millionen DM (rd. 51. Mio. Euro) an die Conterganopfer zahlte, welche in die Stiftung überführt wurden, erließ der deutsche Staat faktisch ein Enteignungsgesetz ( siehe § 23 Abs. 1 des Gesetzes über die Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder"). Aber damit enteignete er nicht die Täter (Grünenthal), sondern die Opfer. Sämtliche Ansprüche der Contergankinder gegen die Schädigungsfirma Grünenthal, ihre Eigentümer und Angestellten wurden per Bundesgesetz zum Erlöschen gebracht. Seither liegt die finanzielle Gesamtverantwortung für die Contergangeschädigten bei der Bundesrepublik Deutschland.

Und in den nachfolgenden 40 Jahren? Eine Entschuldigung bei den Opfern und ihren Angehörigen steht bis heute aus. Die Rede vom Vorsitzenden des Grünenthal-Konzerns, Dr. Harald F. Stock, anlässlich der Einweihung des Contergan-Denkmals am 31. August 2012 in Stolberg, in der er sagte: „Im Namen Grünenthals mit seinen Gesellschafterinnen und Gesellschaftern und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, heute anlässlich dieser Stunde des Gedenkens unser großes Bedauern über die Folgen von Contergan und unser tiefes Mitgefühl für die Betroffenen, ihren Müttern und ihren Familien zum Ausdruck zu bringen. Wir sehen sowohl die körperlichen Beschwernisse als auch die emotionale Belastung, die die Betroffenen selbst, ihre Familien und besonders ihre Mütter aufgrund von Contergan erleiden mussten und auch heute täglich ertragen… Darüber hinaus bitten wir um Entschuldigung, dass wir fast 50 Jahre lang nicht den Weg zu Ihnen von Mensch zu Mensch gefunden haben. Statt dessen haben wir geschwiegen und das tut uns sehr leid.“ war keine Entschuldigung in der Sache. Zumal Grünenthal nicht nur geschwiegen hat. Der Druck auf ihre Opfer ging weiter. Hochbezahlte Rechtsanwälte überzogen protestierende Conterganopfer mit Klagen und auch der Film „Eine einzige Tablette“ konnte erst nach erbittertem Rechtsstreit 2007 in der ARD gesendet werden. An statt sich mit den erzielten Unternehmensgewinnen und dem vorhandenen Vermögen angemessen an der Entschädigung der Opfer zu beteiligen, legt Grünenthal nun noch einen eigenen, völlig intransparenten Hilfsfonds auf, bei dem jetzt die Opfer um Hilfe betteln dürfen. Hier werden – die unzureichende Versorgung der Menschen mit Conterganschäden und ihrer Angehörigen durch den Staat und die dafür zuständige Stiftung ausnutzend – die Betroffenen zusätzlich gedemütigt, es wird Ungleichheit geschaffen und Mißgunst geschürt. Und die Bundesregierung? Sie schweigt und läßt Grünenthal gewähren. Das ist, so meine ich, skandalös.

DIE LINKE fordert, dass die Firma Grünenthal bzw. die Familie Wirtz endlich zur Entschädigung herangezogen wird. Denkbar ist zum Beispiel die Einzahlung von 30 Prozent des Jahresgewinns der Unternehmen der Familie Wirtz an die Conterganstiftung sowie die Einzahlung von Erlösen aus Unternehmensveräußerungen bis zur Höhe der durch den Bund seit 1972 geleisteten Zahlungen.

Auch eine offizielle Entschuldigung durch Bundestag, Bundesregierung und Justiz gegenüber den Contergangeschädigten, ihren Eltern und weiteren Angehörigen steht bis heute aus. Deswegen schlägt DIE LINKE vor, dass der Deutsche Bundestag endlich alle contergangeschädigten Menschen und ihre Angehörigen für Ihnen angetanes Unrecht und Leid um Entschuldigung bittet.

Aus der Übernahme der Gesamtverantwortung durch die Bundesrepublik Deutschland ergibt sich – das hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt - ein Anspruch der geschädigten Personen und ihrer Angehörigen nach dem Sozialen Entschädigungsrecht. Diesem Recht wird bisher nur unzureichend entsprochen, unter anderem mit dem „Argument“, sie hätten ja keine „Sonderopfer für den Staat“ erbracht.
Katastrophal ist die derzeitige Lebenssituation der Conterganopfer und ihrer Angehörigen. Bereits in der Beschlussempfehlung des Bundestages vom 20.01.2009 (Drucksache 16/11625) hieß es: „Heute leiden die Betroffenen zunehmend an schmerzhaften Spätfolgen durch die jahrelange Fehlbelastung von Wirbelsäule, Gelenken und Muskulatur und auch eine Überbeanspruchung der Zähne. Hinzu kommen psychische Belastungen und berufliche Beeinträchtigungen.“ Die Lebenssituation der Betroffenen ist also seit mindestens vier Jahren bekannt. Und sie hat sich seit dem weiter verschärft. Das ist mit der Studie des Gerontologischen Instituts der Universität Heidelberg inzwischen auch wissenschaftlich belegt.

Eine Ursache für die katastrophale Situation ist, dass das Behindertenrecht in Gänze nicht auf Selbstbestimmung, umfassende Teilhabe, freie Persönlichkeitsentfaltung und ein Leben in Würde ausgerichtet ist, obwohl das Grundgesetz, das Bundesgleichstellungsgesetz, das Sozialgesetzbuch IX und vor allem die seit dem 26. März 2009 in Deutschland geltende UN-Behindertenrechtskonvention dies gesetzlich garantieren müssten. Je nach dem wann und in welchem Zusammenhang man seine Behinderung erwarb, werden gesundheitliche Versorgung, soziale Absicherung, Kompensationen in der Kinder- und Jugendzeit, während der Erwerbstätigkeit und im Alter eher willkürlich „gewährt“.

Die zweite Ursache ist, dass die Bundesregierung und die dafür vor 40 Jahren extra geschaffene Conterganstiftung ihre Pflichten nicht erfüllen.
Die bisher gezahlten „Conterganrenten“ und weitere finanzielle Leistungen reichten nicht, um das Leben einigermaßen erträglich zu gestalten und bestehende Nachteile zu kompensieren. Finanzielle Nachteile - zum Beispiel Verdienstausfälle - für die Betroffenen und ihre Angehörigen kamen zu den direkten Schädigungen in Folge von Contergan hinzu. „Schmerzensgeld“ wurde bisher nicht gezahlt. Es mangelt auch an Beratung und Hilfe zur Selbsthilfe. Alles, was die Bundesregierung und die in ihrem Auftrag handelnde Stiftung in den letzten 40 Jahren tat, war die mehr schlechte als rechte Erfüllung von gesetzlichen Pflichten. Eigene Initiativen zur Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen? Fehlanzeige! Alles, was in den letzen Jahren an positiven Veränderungen erreicht wurde, war mühsamer Kampf der Betroffenen.

Inzwischen wird wenigstens kein Stiftungsgeld mehr in Projekte gesteckt, die mit den Conterganopfern nichts zu tun haben. Inzwischen sitzen wenigstens zwei von den Betroffenen selbst gewählte Vertreter im Stiftungsrat. Aber noch sind Menschen mit Conterganschäden und ihre Interessenvertretungen in den Gremien der Conterganstiftung unterrepräsentiert. Die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung haben die Mehrheit im Stiftungsrat und Stiftungsvorstand und üben die Rechtsaufsicht / Kontrolle über die Stiftung aus. Das Ministerium kontrolliert sich selbst und „mauert“ wo es nur kann, wenn es um Transparenz und Mitbestimmung der Betroffenen geht.

Dass es auch anders geht, beweist die Arbeit von zahlreichen anderen Stiftungen mit Bundesbeteiligung (siehe auch Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der LINKEN zu Stiftungen des Bundes, Drucksache 17/10227). Die LINKE fordert deswegen: Die Stiftung muss (mehrheitlich) in die Hände und Füße der Conterganopfer und die Vertreter des Bundes sollten vom Bundestag gewählt werden.

Die im vorliegenden Antrag vorgeschlagenen Änderungen im Conterganstiftungsgesetz sowie die weiteren Maßnahmen hat sich DIE LINKE nicht am Schreibtisch ausgedacht. Sie sind das Ergebnis umfassender Diskussionen mit den Betroffenen und ihren Organisationen; sie finden sich wieder in den Empfehlungen der Universität Heidelberg, die im Auftrag des Bundestages und der Conterganstiftung eine umfassende Studie zur Lebenssituation der Conterganopfer erstellte; sie basieren auf detaillierte Analysen und seriösen Berechnungen der Betroffenen – ich verweise hier auf die Stellungnahme von Udo Herterich im Gespräch mit dem Familienausschuss des Bundestages am 17. Oktober 2012.

Die wesentlichsten Vorschläge bzw. Forderungen möchte ich hier noch einmal nennen:
Erstens sind Conterganrenten und Kapitalentschädigungen, die nach § 12 Absatz 2 des Conterganstiftunsgesetzes beantragt wurden bzw. werden, rückwirkend zu zahlen, denn die Schädigung durch Contergan gibt es bei allen nicht mit Antragsstellung, sondern seit der Geburt.

Zweitens werden die monatlichen Entschädigungsleistungen rückwirkend zum 1. Januar 2012 um 300 Prozent erhöht.

Drittens sind behinderungsbedingte Nachteilsausgleiche sowie Kosten für bedarfsgerechte Assistenz- und Pflegeleistungen sowie Umbaumaßnahmen in der Wohnung und am PKW durch zusätzliche einkommens- und vermögensunabhängige Leistungen aus der Conterganstiftung zu erstatten, solange diese nicht durch die Leistungen aus den Sozialgesetzen kompensiert werden. Maßstab ist dabei das Soziale Entschädigungsrecht.

Viertens müssen Folgeschäden im Sinne der ersten Handlungsempfehlung der Universität Heidelberg anerkannt werden. Die „medizinische Punktetabelle“ zur Bewertung der Körperschäden ist entsprechend zu überarbeiten und auf maximal 200 Punkte zu erweitern.

Fünftens ist ein Schmerzensgeld, abgestuft nach dem aktuellen Punktesystem, ausgehend von 1 Mio. Euro = 100 Schadenspunkte, zu zahlen.
Ich meine, der Antrag der LINKEN ist eine gute Grundlage, um in der geplanten öffentlichen Anhörung des Familienausschusses im Januar 2013 nicht nur den Antrag und den Bericht über die Studie der Universität Heidelberg zu beraten, sondern über einen gemeinsamen Gesetzentwurf für ein 3. Conterganstiftungsänderungsgesetz.
Abschließend noch ein letzter Gedanke. Auch wenn die Lebenssituation der Betroffenen vor allem den Blick bzw. Aktivitäten nach vorn verlangen, brauchen wir eine angemessene Aufarbeitung der Geschichte. Die bisherigen Weigerungen der Bundesregierung und der Conterganstiftung sind nicht länger hinnehmbar. Deswegen fordern wir die Bundesregierung auf, einen Forschungsauftrag zur Geschichte und Herkunft des in „Contergan“ verwendeten Wirkstoffes sowie zur Geschichte des Conterganskandals unter aktiver Einbeziehung bzw. Mitwirkung der Betroffenen auszulösen. Das sind wir den noch lebenden und vor allem den vielen bereits verstorbenen Conterganopfern sowie ihren Müttern, Vätern und weiteren Angehörigen schuldig.

http://www.linksfraktion.de/reden/taete ... stuetzung/




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#3

Beitrag von Maren » Samstag 27. Oktober 2012, 12:37

Danke, Daniel, für das Einstellen dieser Reden hier!
Beide sind zumindest in der Darstellung der vergangenen wir aktuellen Ereignisse korrekt
und ziehen die richtigen Schlüsse, wobei ich die Begeisterung des Herrn Kurth für die Forschung nicht teile. Immerhin stellt er ein fortwährende "Objektivierung" im medizinischen Sinne fest.

Die Reden der CDU/CSU Fraktion (Frau Rupprecht aus Bayern und Herr Jarzombek aus NRW) sowie von der FDP-Abgeordneten Frau Bracht-Bendt reden die Entwicklungen seit 2008 "schön" und sind auch mit der Aussage, dass die Rente nun anrechnungsfrei sei, sachlich falsch: Das war schon immer so und ist der große Vorteil des Stiftungsgesetzes!
Ansonsten: Das Lob für unser "indivduelle großartige Lebensleistung" können wir nun mittlerweile auswendig - hilft uns praktisch aber nicht weiter.

Dass wir im internationalen Vergleich trotz der "Fortschritte" mit Peanuts- sowohl über die Jahrzehnte als auch aktuell betrachtet- abgespeist werden, fällt völlig unter den Tisch.

Ich habe versucht die Reden der Regierungskoalition neu zusammen zu stellen, aber es sieht nicht viel besser aus als das Protokoll des BT . Einziger Vorteil: Die Reden sind einzeln zu lesen......
Ich lade sie einfach trotzdem hoch.

Samstagsgrüße
Maren
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Tschüssi 😎 Maren



Leben und leben lassen ..... 😉
☮️… in Frieden 🕊

Der Weg ist das Ziel 🚵‍♂️

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#4

Beitrag von lia » Samstag 27. Oktober 2012, 15:55

was hat der herr kurth denn überhaupt gefordert ich verstehe ihn nicht , er bleibt im nebelreich, desweiteren er bedauert die forschung an uns und hat sie doch mitgefordert, das nenne ich kirre. zudem dürfte er doch die schwächen des heidelberger sammelsurium kennen. lg lia

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