Quastoff hat seine erste Jazz CD rausgebracht

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Frank62
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Quastoff hat seine erste Jazz CD rausgebracht

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Beitrag von Frank62 » Samstag 24. Februar 2007, 09:56

Quellenangabe General-Anzeiger Bonn hier klicken


Sprung ins kalte Wasser

Trompeter Till Brönner und Bariton Thomas Quasthoff haben gemeinsam bekannte Jazz-Standards eingespielt - Im März gastieren sie mit ihrem ungewöhnlichen Projekt in Köln
Bonn/Berlin. Jazz-Trompeter Till Brönner produzierte mit Star-Bariton Thomas Quasthoff dessen erstes Jazz-Album. Begleitet wird der dreifache Grammy-Preisträger von den international renommierten Musikern Chuck Loeb (Gitarre), Alan Broadbent (Piano), Dieter Ilg (Bass) und Peter Erskine (Schlagzeug). Auf dem Programm stehen Jazz-Standards wie "My Funny Valentine" oder "There Is A Boat That's Leaving". Olaf Neumann traf Quasthof und Brönner zum gemeinsamen Interview in Berlin.

General-Anzeiger: Der Schlagzeuger Peter Erskine sagt: "Thomas Quasthoff singen zu hören, war wie eine Botschaft von Gott". Wie hat Thomas Quasthoff selbst diese Zusammenarbeit empfunden?

Thomas Quasthoff: Ich finde, er hat Recht (lacht). Mal im Ernst: Ich würde es gar nicht so religiös ausdrücken. Ich glaube, wir bilden ein Team, das sich im richtigen Moment mit den richtigen Stücken getroffen hat. Wir passen einfach sehr gut zusammen. Das war eine schöne und wichtige musikalische und menschliche Erfahrung.

GA: Kann man in den tausendfach interpretierten Jazz-Klassikern überhaupt noch etwas Neues entdecken?

Till Brönner: Wir hatten unseren eigenen Maßstab vor Augen. Es war mir eine große Freude, Klassiker wie "My Funny Valentine" und "There Is A Boat That's Leaving" auszuwählen, damit sie sich Thomas zu eigen machen kann. Wenn er ein Stück wie "I've Grown Accustomed To Her Face" aus dem Musical "My Fair Lady" singt, wird daraus etwas ganz anderes.

GA: In der Vergangenheit sind ähnliche Projekte von anderen Leuten gemacht worden. Was ist das Besondere an Ihrer Zusammenarbeit?

Brönner: Viele andere Sänger hätten nicht den Mut gehabt, sich auf das einzulassen, was wir im Studio erarbeitet haben. Natürlich war es auch für mich eine große Herausforderung, aber ich mache öfter Jazzplatten. Thomas sprang ins kalte Wasser. Es ist aus meiner Sicht auch kein Crossover, sondern eine ganz eigenständige Geschichte. Dieser Begriff hat für mich teilweise sogar etwas Respektloses. Wenn sich Arturo Sandoval hinstellt und ein Trompetenkonzert von Haydn spielt, klappen sich mir die Fußnägel hoch.

GA: Herr Quasthoff, als Bariton haben Sie einen großen Stimmumfang. Sind Sie deshalb für Jazz besonders geeignet?

Quasthoff: Ich kann sicher eine große Palette abdecken. Aber in dem Moment, wo ich etwas zu sagen habe, ist der Stimmumfang völlig nebensächlich. Der jüdische Tenor Joseph Schmidt zum Beispiel war 1,53 Meter groß. Er konnte nie Oper singen, weil seine Stimme zu klein war. Aber das hohe D sang er mit einer unvergleichlichen Leichtigkeit und Schönheit. Kurz vor seiner Emigration in ein Schweizer Auffanglager, wo er dann als 38-jähriger Mann starb, hat Joseph Schmidt als Emigrant noch ein bewegendes Stück eingesungen. Da fängt man nach drei Tönen einfach an zu heulen, natürlich auch wissend um sein Schicksal.

GA: Till Brönner sagt, an der Trompete muss man jeden Tag arbeiten wie an einer Ehe.

Brönner: Bei unserem Job muss man sein Handwerkszeug in Ordnung halten. Wer glaubt, er müsse zwei Wochen lang nichts tun, der irrt. Bei einer Trompete kooperieren Körperfunktionen und -fähigkeiten miteinander, und man muss im richtigen Augenblick das Gehirn ausschalten. Wenn man das kann, ist das Spielen des Instruments fast schon eine logische und nüchterne Angelegenheit. Das darf man gar nicht so hoch ansiedeln. Aber es bedeutet Disziplin.

GA: Herr Quasthoff, kann man beim Singen alles kontrollieren?

Quasthoff: Man hat Ton, Text, Musikstück, Vokalisierung und Atem - völlig unmöglich, das alles gleichzeitig zu steuern. Es wird immer Bereiche während des Musizierens geben, die unbewusst ablaufen. Dabei schalten sich gewisse Dinge automatisch ab.

GA: Mit welcher Jazzmusik sind Sie aufgewachsen?

Quasthoff: Ich bin durch die komplette Jazzgeschichte gelaufen: Bix Beiderbecke, Sidney Bechet, Oscar Petersen, Cannonball Adderley, Miles Davis, John Coltrane, Peter Brötzmann, Alexander von Schlippenbach, Evan Parker, McCoy Tyner, Aki Takase. Das war wichtig, um sich freizuschwimmen. Hier in Berlin habe ich mir unter anderem ein Konzert von Yosuke Yamashita reingehämmert. Schade um den schönen Flügel! Aber die Energie war schon unglaublich.

GA: Gibt es auch Sachen, die Sie prinzipiell nicht singen, weil es zum Beispiel der Stimme nicht gut täte?

Quasthoff: Ich hatte mehrfach das Angebot, Hans Werner Henzes "Floß der Medusa" zu singen. Ein tolles Stück - aber es ist zu hoch und zu dick besetzt. Ich singe auch keine "Carmina Burana" mehr, weil es für meine Stimme von der Tessitura her zu hoch ist. Was soll ich mich da rumquälen. Wir haben sehr junge und tolle Sänger, die das viel besser können als ich.

GA: Thomas Quasthoff wurde in Hildesheim geboren, Till Brönner in Viersen. Spielt die provinzielle Herkunft eine Rolle, wenn man in den Metropolen erfolgreich ist?

Brönner: Beim Versuch, den Dingen auf den Grund zu kommen, wird vieles mit der Herkunft begründet. Das ist auch so ein Klischee. Man kann letzten Endes aus allem, was im Leben passiert, künstlerische Schlussfolgerungen ziehen. Komme ich aus einer Großstadt, ist es keine Frage, dass ich mit den Großen dieser Welt musiziere. Komme ich vom Lande, ist es die Geschichte vom Tellerwäscher, der zum Millionär wurde.

Zur Person

Thomas Quasthoff wurde 1959 in Hildesheim geboren und begann 1972 sein Musikstudium in Hannover. Von der Presse als "einer der großen Sänger unserer Zeit und sicherlich einer der herausragendsten aller Zeiten" (Los Angeles Times) gefeiert, hat der Bariton mit den renommiertesten Orchestern und Dirigenten weltweit an den großen Häusern und bei angesehenen Festivals gearbeitet. Der vielfach ausgezeichnete Sänger unterrichtet seit November 2004 als Professor an der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" in Berlin.

Der Trompeter, Sänger, Komponist, Arrangeur und Produzent Till Brönner hat mehr Schallplatten verkauft als jeder andere deutsche Jazzmusiker. 1971 in Viersen geboren und in Bonn aufgewachsen, hörte er mit 13 Jahren erstmals Bebop und Charlie Parker. Von seinem Album "Oceana" wurden international weit über 100 000 Exemplare verkauft. Der auch in der New Yorker Jazz-Szene wohlbekannte Brönner hat mit dem Tenorsaxophonisten Michael Brecker zusammengearbeitet, aber auch mit Dave Brubeck, Lee Konitz oder Hildegard Knef.

The Jazz Album: Watch What Happens (Deutsche Grammophon/Universal), ab 2. März im Handel. Am 19. März gastieren Quasthoff, Brönner & Band in der Kölner Philharmonie.

(23.02.2007)
LG
Frank62 (Der Chef)
95% aller Computerprobleme befinden sich vor dem Monitor. :suprised

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