Gesetzestext zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes

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Fellwuschel
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Gesetzestext zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes

#1

Beitrag von Fellwuschel » Sonntag 20. Januar 2008, 07:42

Gesetzentwurf
der Bundesregierung

Vorblatt

Entwurf eines

Ersten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes


A. Zielsetzung

Die Renten aufgrund von Contergan-Schadensfällen nach §13 Abs. 2 des Conterganstiftungsgesetzes sollen mit Rücksicht auf die Entwicklung der Lebenshaltungskosten und der Nettoeinkommen angehoben werden.

B. Lösungen

Anhebung der Renten um linear 5 Prozent ab 1. Juli 2008.

C. Alternativen

Keine

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

Die durch das Gesetz für den Bundeshaushalt entstehenden Mehrkosten für die Rentenerhöhung betragen im Jahr 2008 rd. 343.500 Euro; ab dem Jahr 2009 jährlich rd. 687.000 Euro. Die Erhöhung der Renten um 5 Prozent zum 1. Juli 2008 führt nicht zur Überschreitung des Haushaltsansatzes 2008.
Den Ländern und Kommunen entstehen keine Kosten.

E. Sonstige Kosten

Eine nennenswerte Zunahme der Konsumnachfrage aufgrund der vorgesehenen Rentenerhöhung ist wegen des relativ kleinen Kreises der Betroffenen nicht zu erwarten. Mit Auswirkungen auf Einzelpreise und auf das Preisniveau, besonders auf das Verbraucherpreisniveau, ist daher nicht zu rechnen.

F. Bürokratiekosten

Es werden keinen neuen Informationspflichten für die Wirtschaft, für die Bürgerinnen und Bürger, für die Verwaltung eingeführt, vereinfacht bzw. abgebaut.

G. Gender Mainstreaming

Im Zuge der nach § 2 GGO vorzunehmenden Relevanzprüfung sind unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenssituation von Frauen und Männern keine Auswirkungen erkennbar, die gleichstellungspolitischen Zielen zuwiderlaufen.


Entwurf eines
Ersten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes

Vom


Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

In § 13 Abs. 2 Satz 2 des Conterganstiftungsgesetzes vom 13.Oktober 2005 (BGBl. I. S. 2967), das durch Artikel 81 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I. S. 2407, 2007 I. S. 2149) geändert worden ist, werden die Angabe „121 Euro“ durch die Angabe „127 Euro“ und die Angabe „545 Euro“ durch die Angabe „572 Euro“ ersetzt.



Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 2008 in Kraft.


Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Ausgangslage

Am 1. Oktober 1957 kam das damalige Schlafmittel Contergan der Fa. Chemie Grünenthal GmbH in Stolberg auf den Markt. Es war rezeptfrei erhältlich. Kurze Zeit später wurden im In- und Ausland viele Kinder (rd. 10.000 Kinder) mit schwersten körperlichen Fehlbildungen geboren. Die Hälfte starb kurz nach der Geburt. Da die Mütter dieser Kinder in der Schwangerschaft das Schlafmittel Contergan eingenommen hatten, wurde eine sehr enge Verbindung zwischen dem in der Tablette enthaltenen Wirkstoff Thalidomid und den körperlichen Missbildungen gesehen. Über Jahre hinweg wurden langwierige und wenig befriedigende Prozesse zwischen Anwälten der geborenen Kinder, deren Familien und der Fa. Chemie Grünenthal geführt.
Sowohl die gerichtlichen Verfahren, noch mehr aber die Fehlbildungen bereiteten den Kindern und ihren Familien ein unvorstellbar schwieriges Lebensschicksal.

Im Dezember 1971 setzte die Bundesregierung mit der Errichtung der Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“ eine abschließende Regelung der finanziellen Aufarbeitung der Contergan-Katastrophe. Die Stiftung wurde per Gesetz als öffentlich-rechtliche Stiftung errichtet und mit einem Stiftungskapital in Höhe 100 Mio. DM plus Zinsen der Fa. Chemie Grünenthal GmbH sowie 100 Mio. DM aus Bundesmitteln ausgestattet. Das Gesetz trat am 31. Oktober 1972 in Kraft. Mit dem ersten Änderungsgesetz 1976 wurden die Bundesmittel um
100 Mio. DM aufgestockt. Eine weitere Aufstockung erfolgte mit dem 2. Änderungsgesetz 1980 um weitere 120 Mio. DM. Insgesamt flossen 320 Mio. DM aus Bundesmitteln in das Vermögen der Stiftung.

Auf der Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 1976, 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 (BVerfGE 42, 263), ist der Gesetzgeber verpflichtet, darüber zu wachen, dass die Leistungen der Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“ an Contergan-Geschädigte auch in Zukunft der vom Staat übernommenen Verantwortung gerecht werden. Dieser Auftrag besteht auch nach der Änderung des Namens des Gesetzes in „Conterganstiftungsgesetz für behinderte Menschen (Conterganstiftungsgesetz)“ vom 13. Oktober 2005 (BGBl. I. S. 2967) fort.

Der Deutsche Bundestag hat in seiner 193. Sitzung am 13. Dezember 1979 zu dem von ihm verabschiedeten Zweiten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“ einen Entschließungsantrag angenommen, in welchem die Bundesregierung ersucht wird „in Abständen von zwei Jahren zu prüfen, ob eine weitere Anhebung der Renten wegen Contergan-Schadensfällen erforderlich ist.“
Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens des 4. Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1984 zur Rentenerhöhung ist festgelegt worden, dass eine Rentenerhöhung erfolgen soll, wenn ein erheblicher Anstieg der Lebenshaltungskosten und Nettoeinkommen eingetreten ist.

Die letzte Rentenerhöhung erfolgte zum 1. Juli 2002 um linear 4 Prozent für den Zeitraum vom zweiten Halbjahr 1997 bis zum ersten Halbjahr 2001. Folglich stützt sich die Ermittlung der aktuellen Anpassung auf den Zeitraum vom zweiten Halbjahr 2001 bis zum ersten Halbjahr 2007.

II. Erforderlichkeit einer Rentenerhöhung

Unter Zugrundelegung der amtlichen Daten des Statistischen Bundesamtes und der Herbstprojektion der Bundesregierung ergibt sich eine Zunahme des Preisniveaus, gemessen am Verbraucherpreisindex (früher Index der Kosten für die Lebenshaltung), für den Zeitraum vom zweiten Halbjahr 2001 bis zum ersten Halbjahr 2007 in Höhe von 9,9 Prozent (siehe nachstehende Tabelle).

1. Preisniveauentwicklung vom Jahr 2001 bis zum 1. Halbjahr 2007



2. Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter vom Jahr 2001 bis zum 1. Halbjahr 2007

Die Zunahme der Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer betrug kumuliert vom 1. Halbjahr 2001 bis zum 1. Halbjahr 2007 6,4 Prozent (siehe nachstehende Tabelle). Hieraus ergibt sich ein jahresdurchschnittlicher Zuwachs der Nettolöhne und -gehälter von 1,0 Prozent.


Nach der auf Grundlage des 4. Änderungsgesetzes 1984 mit dem Statistischen Bundesamt abgestimmten Formel zur Berechnung der Erforderlichkeit der Rentenerhöhung:
(Verbraucherpreisindex des ersten Halbjahr 2007 in Höhe von 111,72 dividiert durch Verbraucherpreisindex im ersten Halbjahr 2001 in Höhe von 101,67 = 1,09893 multipliziert mit 100 = 109,89 minus 100 = 9,89 minus - 1,04 durchschnittliche Nettolohnsteigerung = 8,85 dividiert durch zwei = 4,425) als vom Verbraucherpreisindex abzuziehender Faktor = 5,46) ist Anhebung der Conterganrenten gerechtfertigt.
Die Conterganrenten werden in Höhe von 5,0 Prozent linear angehoben.
Zum Vergleich: Die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung (West) sind von 2002 bis 2007 um rd. 3,8 Prozent gestiegen.

III. Änderung der Höhe der jährlichen Verzinsung für nach § 10 Abs. 2b der Satzung der Stiftung gewährte Kapitalabfindungen

Im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen wird das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Anpassung des derzeitigen Zinssatzes in Höhe von 6,5 Prozent für kapitalisierte Renten vornehmen lassen. Der neue Zinssatz soll sich für Neuanträge an der Höhe der Rendite börsennotierter Bundeswertpapiere am 30. September des jeweils laufenden Jahres orientieren. Durch die Senkung des derzeitigen Zinssatzes kann eine berechtigte Person mit einer Monatsrente von 572 Euro, für einen Kapitalisierungszeitraum von max. 15 Jahren eine Kapitalabfindung erhalten, die rd.10.500 Euro höher ist als derzeit.
Für diese Änderung stellt die Bundesregierung im Jahr 2008 zusätzlich rd. 422.000 Euro Bundesmittel zur Verfügung.

Zur Senkung des Zinssatzes bedarf es keiner Gesetzesänderung. Zu ändern ist lediglich die Satzung der Stiftung. Eine solche Änderung kann der Stiftungsrat nach § 8 des Conterganstiftungsgesetzes mit Zustimmung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen vornehmen. Die Zustimmung beider Ministerien liegt vor.

B. Besonderer Teil


Zu Artikel 1 Erhöhung der monatlichen Renten

Die Erhöhung der Renten entspricht dem Auftrag des Deutschen Bundestages, die Renten an die Entwicklung der Löhne und Gehälter sowie der Entwicklung des Verbraucherindex anzupassen. Die Höhe von 5 Prozent orientiert sich an dieser Entwicklung (vergleiche die Begründung zur Rentenerhöhung).
Die im Gesetz genannten Beträge bilden die Unter- und Obergrenze der Renten, deren Höhe sich nach dem Grad der festgestellten Schädigung bemisst. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veröffentlicht die vollständige Rententabelle (Anlage 3 der Richtlinien für die Gewährung von Leistungen wegen Contergan-Schadensfällen) im Bundesanzeiger.


zu Artikel 2 Inkrafttreten

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

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