Verzweifelt gesucht: Arbeit für Behörde
Bald haben die Verwalter des Zivildienstes nichts mehr zu tun. Aber die Bundesregierung denkt nicht ans Sparen
Familienministerin Schröder setzt einen neuen Freiwilligendienst durch - und schafft damit Doppelstrukturen
Von der Leyen schlägt vor: Die Bediensteten könnten sich ja auch um das Bildungspaket für Hartz-IV-Kinder kümmern
Im Bundesfamilienministerium wird bald ein Schreibtisch frei. Es ist der des "Bundesbeauftragten für den Zivildienst". Noch steht dieser Tisch in der Außenstelle des Ministeriums in Bonn. Dort arbeitet Jens Kreuter, eben jener Bundesbeauftragte, der sich um die jungen Männer kümmern soll, die keinen Wehrdienst leisten. Weil es diesen Dienst ab dem 1. Juli nicht mehr gibt, wird es auch keine Zivildienstleistenden mehr geben, jedenfalls keine mehr, die ab dem Sommer noch eine neue Stelle antreten. Spätestens zum Jahresende wird Kreuter niemanden mehr haben, um den er sich kümmern kann. Was wird aus ihm?
"Meinen Job wird es in einem Jahr nicht mehr geben", sagt Kreuter. Was aus ihm persönlich werde, wisse er noch nicht. Kreuter fühlt sich ein bisschen wie ein Kapitän, der auf einem sinkenden Schiff ausharrt, denn der Zivildienst wird abgewickelt. Gewollt hat das Ministerin Kristina Schröder (CDU) nicht. Aber sie hat auch nicht widersprochen, als Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) das Aussetzen der Wehrpflicht ausrief - ihr faktisches Ende.
Die Umwälzungen im Zivildienst sind mindestens so groß wie bei der Bundeswehr, wo Beschäftigte in 52 Kreiswehrersatzämtern und in Kasernen ihre Aufgaben verlieren. Nicht nur der Zivi-Beauftragte steht ohne Arbeit da. Eine ganze Behörde, das Bundesamt für Zivildienst in Köln, wird überflüssig.
Für exakt 1005 Beamte und Angestellte, deren Arbeit pro Jahr fast 100 Millionen Euro kostet, gibt es offiziell nichts mehr zu tun. Was aber geschieht mit einer Behörde, die keine Aufgabe mehr hat? Man wagt kaum zu fragen: Kann man sie abschaffen?
Die Präsidentin des Amts, Helga Roesgen, will keine Auskunft geben, weshalb die Spurensuche woanders beginnen muss. Eine der ersten Adressen, wenn es darum geht, dem Staat beim Geldausgeben auf die Finger zu schauen, ist der Bund der Steuerzahler. Wer dort anruft, hat den Vizepräsidenten Rainer Holznagel am Telefon, und der antwortet im Grunde mit den Argumenten der Bundesregierung. "Ziel der Bundeswehrreform ist es, Geld zu sparen", sagt Holznagel. "Insofern wäre es sinnvoll, dass überflüssige Behörden wie das Bundesamt für Zivildienst eingespart werden."
Ob das der Fall ist, kann man dem "Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes" aus Schröders Ministerium entnehmen. Mitte Dezember hat das Kabinett ihn abgesegnet, ab März soll der Bundestag darüber debattieren. Der neue Dienst soll die Lücke, die durch den Zivildienst entsteht, "soweit es irgend geht kompensieren", sagte Schröder bei einer Fragestunde im Bundestag. "Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, uns Gedanken darüber zu machen." Das Ergebnis ist eine Mischung aus Zivildienst und den Freiwilligendiensten, die es in den Ländern schon gibt.
Sechs bis 18 Monate soll der neue Dienst dauern und allen volljährigen Menschen offenstehen. Sie sollen sich engagieren: "im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich sowie im Bereich des Sports, der Integration und des Zivil- und Katastrophenschutzes". Der Staat zahlt dafür ein, so wörtlich, "Taschengeld" von einigen Hundert Euro pro Monat. Organisiert wird der Dienst vom - Bundesamt für Zivildienst. Künftig heißt es "Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben". Abgeschafft wird es nicht, es kann "weitere Aufgaben" übertragen bekommen. Einsparungen gibt es keine, sie werden erst "mittelfristig erwartet". Zunächst kostet der neue Freiwilligendienst mehr als 230 Millionen Euro pro Jahr.
Man muss die Opposition nicht lange um einen Kommentar zu diesen Plänen bitten. Am deutlichsten formuliert es der verteidigungspolitische Sprecher der Linken, Paul Schäfer: "Es gibt keine Verwendung mehr für das Bundesamt für Zivildienst, man kann diese Behörde auflösen." Hans-Peter Bartels, Verteidigungspolitiker der SPD, sagt: "Man könnte das Amt schon abschaffen." Eine andere Frage, das betonen beide, sei die Zukunft der Mitarbeiter, man könne sie nicht alle entlassen. Bartels schlägt vor, den größten Teil für das Bundesverwaltungsamt arbeiten zu lassen, das seinen Sitz ebenfalls in Köln hat.
Kai Gehring, jugendpolitischer Sprecher der Grünen, verlangt immerhin "deutlich schlankere Strukturen", sie seien das Mindeste, was die Regierung dem Zivildienstamt verordnen müsse. Seine Kernaufgabe sei erfüllt. Ministerin Schröder habe sich den Bundesfreiwilligendienst nur ausgedacht, um eine neue Aufgabe für das Amt zu finden. Es sei die einzige Behörde, über die sie verfügen könne. Mehr noch stört sich Gehring aber - und da pflichtet ihm SPD-Kollegin Caren Marks bei - an den "doppelten Strukturen", die nun entstehen. Die bestehenden Dienste wie das freiwillige soziale Jahr seien erfolgreich. "Teuer und ineffizient" sei das alles, schimpft Marks. Abschaffen will sie das Bundesamt nicht, aber sie fordert "klar definierte Aufgaben und keine kunterbunte Sammlung an Zuständigkeiten".
Tatsächlich ist das Amt wegen der sinkenden Zahl der Zivildienstleistenden nicht mehr ausgelastet, weshalb Ministerin Schröder nach neuen Zuständigkeiten fahndet. So sollen sich die Mitarbeiter um die Organisation der von Schröder geplanten "Familienpflegezeit" kümmern. Schon jetzt wickelt es die Entschädigung von Contergan-Opfern ab - zuvor war das Sache der Staatsbank KfW. Muss die Regierung immer neue Aufgaben für arbeitslos gewordene Mitarbeiter finden?
"Sie können jede Bundesbehörde auflösen", sagt Hans-Ulrich Benra. "Sie brauchen dafür nur eine Entscheidung der Bundesregierung." Benra ist der Chef des Verbands der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden, weshalb der Hinweis einen bitter-ironischen Unterton hat und keine Forderung ist. Er gibt zwar zu, dass die "Haupttätigkeit" des Bundesamtes nun wegfalle. "Aber dann stehen 1000 Menschen auf der Straße - wollen Sie das?" Eine rhetorische Frage, denn die meisten Mitarbeiter, ob nun Beamte oder Angestellte, sind unkündbar. Benra beklagt die vielen Sparrunden im öffentlichen Dienst, erklärt die um Zehntausende verringerte Stellenzahl, die auf 41 Stunden erhöhte Wochenarbeitszeit und das auf 30 Prozent geschrumpfte Weihnachtsgeld. In etwas mehr als zehn Jahren seien in Deutschland 120 Behörden geschlossen worden, behauptet er. Das Know-how im Bundesamt für Zivildienst müsse man erhalten, ihm schwebe ein "Dienstleistungsansatz" vor. Leider habe er erst Anfang Februar einen Termin im Ministerium.
Was also hat sich die Koalition bei dieser Reform gedacht? Die Auskunftsfreude ist begrenzt. In der Bundestagsfraktion der Union will nur die CSU-Abgeordnete Dorothee Bär etwas offen sagen. Es sei "wünschenswert, dass es mittel- und langfristig keine Doppelstrukturen mehr gibt". Fragt man bei Unionsleuten nach, dann erfährt man hinter vorgehaltener Hand, dass die zwei verschiedenen Freiwilligendienste in Bund und Ländern, die es nun geben soll, der größte Unfug unter der Sonne seien und dass man das Bundesamt für Zivildienst am besten hätte abschaffen sollen. Die Ministerin habe sich aber nicht gegen ihre eigenen Beamten durchsetzen können und nicht gegen das Amt: "Die schaffen sich doch nicht selbst ab!"
In der FDP, die ja für den schlanken Staat eintritt, ist man zwar unglücklich mit dem Bundesfreiwilligendienst. Aber das Bundesamt abschaffen? Das Amt habe "zu viele Mitarbeiter, um das zu übernehmen, was wir dem Amt übertragen wollen", sagt der jugendpolitische Sprecher Florian Bernschneider - und dass es "erheblich schrumpfen" müsse. Eine Forderung, die der FDP-Haushaltspolitiker Florian Toncar verschärft: "Ich habe große Zweifel, ob diese Behörde in diesem Umfang noch gebraucht wird." Wenn man will, kann man daraus die Forderung nach Abschaffung lesen. Zumindest erwartet Toncar aber "eine saubere Personalbedarfsplanung des Ministeriums".
Die gibt es offenbar schon. Ressortchefin Schröder, die ja die politische Verantwortung trägt, will sich selbst dazu nicht äußern. Sie schickt den Zivildienstbeauftragten Kreuter vor: Es sei "völlig klar, dass es das Amt in der heutigen Form nicht mehr geben wird". Und er sagt: "Die Mitarbeiter in der Zentrale in Köln werden zum ganz großen Teil nicht mehr in ihrem bisherigen Bereich tätig sein." Der Vorwurf der Opposition, man suche krampfhaft nach neuen Aufgaben und habe deshalb den Bundesfreiwilligendienst erfunden, sei absurd. "Wenn sich aber neue Aufgaben und damit Beschäftigungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter ergeben, wäre das ideal."
Und idealerweise hat Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), früher selbst Familienministerin, schon eine Idee. Das Bildungspaket für Geringverdiener, das sie plant, würde fast exakt so viele Verwaltungsmitarbeiter benötigen, wie im Zivildienstamt überflüssig werden, nämlich etwa 300 der 500 Stellen in der Kölner Zentrale.
"Wir haben alle Möglichkeiten geprüft, darunter auch die Auflösung des Bundesamtes für Zivildienst", beteuert Kreuter. "Es war aber schnell klar: Man kann den Großteil der dort arbeitenden Mitarbeiter nicht einfach entlassen." Und vielleicht wird auch für Kreuter noch ein Schreibtisch übrig sein. Der Steuerzahlerbund ist jedenfalls empört, dass nun auch noch Geld für eine Kampagne ausgegeben werden soll, die nicht allein den neuen Freiwilligendienst bewerben wird. Laut Ausschreibung soll sie auch "die positive Rolle von Bundesfamilienministerin Schröder kommunizieren".
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